Augsburger Allgemeine (Land West)
Polizei wusste von Gewaltfantasien des Axt Attentäters
Ermittlungen Ein 17-Jähriger hat in der Schweiz wahllos Menschen angegriffen. Sozialarbeiter warnten schon länger
St. Gallen
Die Polizei wusste seit Monaten, dass der junge Mann Gewaltfantasien hatte. Trotzdem sah sie keine akute Gefahr. Jetzt hat ein 17-jähriger Lette in Flums rund 90 Kilometer südöstlich von Zürich wahllos Leute angegriffen.
Der offenbar psychisch gestörte Jugendliche ging zunächst auf ein Paar los, das gerade mit seinem Baby spazieren ging. Er verletzte fünf weitere Personen, ehe die Polizei ihn am Sonntagabend mit mehreren Schüssen niederstreckte, wie sie gestern berichtete. Die Beamten stellten die Tatwaffe, eine kleine Axt, sicher. Einen terroristischen Hintergrund schlossen die Ermittler aus. Doch sie müssen sich Kritik gefallen lassen: Jugendsozialarbeiter hatten in diesem Jahr schon zweimal Alarm geschlagen, weil der junge Mann „Anspielungen auf Gewalt“geäußert habe, wie Staatsanwalt Stephan Ramseyer sagte: „Er hatte Gewaltfantasien, das könnte auf Persönlichkeitsstörung hinweisen.“Die Sozialarbeiter informierten die Polizei. „Es wurde umgehend eine Gewalteinschätzung vorgenommen“, sagte Ramseyer. Es habe aber keine substanziellen Drohungen gegeben, deshalb seien keine Zwangsmaßnahmen angeordnet worden. Die Kriseninterventionstruppe habe aber mit dem jungen Mann und seinen Eltern gearbeitet.
Die Gewaltorgie begann am Sonntagabend gegen 20 Uhr auf einem öffentlichen Platz. Dort ging das Paar mit Kinderwagen spazieren, als der Mann sie plötzlich von hinten angriff. Blutlachen zeugten später von der Wucht seiner Hiebe. Der Mann, 35, wurde schwer, die Frau, 30, leicht verletzt. Bei dem Überfall fiel das acht Monate alte Baby aus dem Kinderwagen. Der Täter beachtete es aber nicht und es blieb unverletzt. Zwei Autofahrer, 72 und 59 Jahre alt, eilten dem Paar zur Hilfe. Auch auf sie ging der junge Mann mit dem Beil los. Sie wurden leicht verletzt.
Dann flüchtete er in ihrem Auto. Er baute damit einen Unfall, verließ das Fahrzeug und rannte mit dem Beil zu Fuß weiter. An einer Tankstelle attackierte er zwei Frauen – 27 und 44 Jahre alt –, die in den Tankstellenladen flüchten konnten. Diese und eine 21-Jährige aus der Tankstelle, die wahrscheinlich unter Schock stand, wurden ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei umstellte den Mann, als er an der Tankstelle erneut ein Auto klauen wollte. Weil er Widerstand leistete, feuerten die Einsatzkräfte mehrere Schüsse auf ihn ab. Der 17-Jährige, der vor vier Jahren aus Riga kam und in Flums eine Handwerkerlehre absolvierte, kam unter Arrest ins Krankenhaus. Ihm wird mehrfach versuchte Tötung vorgeworfen.