Augsburger Allgemeine (Land West)
Stinkend und total verlaust
Porträt Wolpi ist die Hauptfigur im neuen Kinder- und Jugendbuch von Ulla Kling aus Stadtbergen. Was es mit dem seltsamen Wuschelfellmonster auf sich hat und wie die erfolgreiche Autorin darauf kam
Das Wuschelfellmonster Wolpi ist die Hauptfigur in Ulla Klings neuem Kinderbuch. Die Idee dazu hatte 77-jährige Stadtbergerin in Häder. »Lokales Seite 1
Die Geburtsstunde von „Wolpi“schlug in Häder. Dort hatte Ulla Kling als kleines Mädchen zum ersten Mal das fabelhafte Mischwesen in einer Gastwirtschaft gesehen. Das Bild vom kleinen haarigen Ungetüm mit den furchteinflößenden Hauern bekam sie nicht mehr aus dem Kopf. Zum Glück. Denn Jahre später erinnerte sie sich an den Wolpertinger, der Hauptdarsteller in einem Jugendfilm werden sollte. Ulla Kling schrieb das Drehbuch. Doch dann kam der Pumuckl.
Vermutlich wegen des frechen Klabautermanns mit den roten Haaren kam Ulla Klings Geschichte vom Wolpertinger nicht mehr zum Zug. Das fertige Drehbuch verschwand im Regal im kleinen Arbeitszimmer unter dem Dach des Zweifamilienhauses in Stadtbergen. Vor einigen Jahren zog Kling es wieder heraus. Sie entschied: „Da- raus mache ich jetzt ein Kinderbuch.“Gesagt, getan: „Heiter bis Wolpi’g“entstand. In einem Vierteljahr schrieb die Erfolgsautorin das Buch.
Gewöhnlich sitzt Ulla Kling für ihre Schreibprojekte bis zu zehn Stunden an dem kleinen Schreibtisch mit Blick ins Grüne. Manchmal vergisst sie sogar die Zeit und Mann Werner erinnert sie dann ans Abendessen. Manchmal schreibt sie auch in der Nacht. Und wenn ihr nichts mehr einfällt oder es bei Handlung klemmt, dann schläft sie drüber. „Am nächsten Morgen weiß ich dann, wie es weiter geht.“Dann zieht sie wieder ins kleine Arbeitszimmer unterm Dach. Dort finden sich dutzende Aktenordner mit Drehbüchern und Unterlagen. 100 Bühnenstücke stammen aus der Feder von Ulla Kling. Ob Komödie, Boulevard, Schwank oder Volksstück, sie findet sich in jedem Genre zurecht. An den Wänden hängen dutzende Fotografien: Bilder von den Töchtern Manuela, Silvia und Katja, den Enkeln, oder aus Kanada. In den Rocky Mountains verbrachten die Klings viele Sommer in einem Haus am See. Etwas Wehmut klingt durch, wenn sich Ulla Kling an den Abschied von Nordamerika erinnert: „Als ich damals am Gatter stand und noch einmal zurückschaute, wusste ich, dass ich es nie wieder sehen würde.“
Vielleicht erlebt sie die Wildnis mit all ihren Abenteuern vor ihrem geistigen Auge wieder. Als Autorin besitzt sie die Gabe, sich in eine andere Welt zu versetzen. Und freilich in andere Figuren, die sie dann beim Schreiben entwickelt. Bestes Beispiel ist „Wolpi“: Der personifizierte Wolpertinger lebt isoliert in der Scheune eines verlassenen Anwesens, bis es plötzlich neue Besitzer gibt. Die entdecken die Gestalt und fortan mischt Wolpi die Familie auf. „Er ist frech, stinkt und ist total verlaust“, beschreibt ihn Kling. Und trotzdem ist er liebenswert. Wolpi wird in der Geschichte auch nachdenklich und „fragt sich, ob er in diese Welt überhaupt noch passt“, erzählt die Stadtbergerin. Den Kindern gefällt’s: Immer wieder werde sie auf das kleine Fellfederpaket, dem die Illustratorin Katarzyna Dyduch ein Gesicht gegeben hat, angesprochen. Zuletzt wurde sie gefragt: „Kommt der Wolpi eigentlich wieder?“Im Buch zieht er sich das seltsame Wuschelfellmonster zurück in seine Scheune. Es menschelt ihm zu sehr.
Vielleicht tritt der „Wolpi“wieder einmal in Erscheinung: Dann aber im Fernsehen oder im Kino. „Die Verfilmung wäre der Traum meines Lebens“, sagt die 77-Jährige. Bis dahin feilt sie schon am Buchprojekt. Darin geht es um Poldi. So heißt der Bub, dem die Erwachsenen ganz schön zu schaffen machen.
Am Ende fällt die Erkenntnis: Er will nicht mehr wachsen, um nicht wie alle anderen erwachsen zu werden. Ulla Kling versetzt sich gerne in die Kinderseele hinein. Auch bei „Der Traum des Teufelchens“und „Die Traumfee kommt“hat es die Autorin geschafft, Buben und Mädnächsten chen mit auf eine Reise in die Fantasie zu nehmen. „Das ist doch viel schöner als vor dem PC zu sitzen. Die Fantasie muss manchmal eben herausgekitzelt werden“, sagt die 77-Jährige.