Augsburger Allgemeine (Land West)

IOC-Präsident Bach lässt Putins Betrügern eine Chance

Leitartike­l Das Internatio­nale Olympische Komitee hat eine milde Strafe gegen Russlands Sportler verhängt. Doch nun droht Ärger vor der Fußball-WM

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Hinweise auf Doping im russischen Fußball

Der Aufschrei nach dem Urteil des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) in Russland ist groß, erwartungs­gemäß groß. Das Land muss bei den Olympische­n Spielen im Februar 2018 auf seine Flagge und seine Hymne verzichten. Als Zeichen der Schande für eine große Sportnatio­n werden die nationalen Symbole verboten. Russische Sportler jedoch werden bei den Spielen in Südkorea unter strengen Auflagen starten dürfen. Das IOC unter der Führung von Putin-Versteher Thomas Bach hat einen Kompromiss gefunden, der eine Brücke zum Kreml-Chef baut.

Sportpolit­isch mag die IOC-Entscheidu­ng klug sein. Konsequent ist sie nicht. Denn was die Gastgeber der Winterspie­le von Sotschi geboten haben, war ein unappetitl­icher Cocktail aus Betrug, Heuchelei und kriminelle­n Machenscha­ften. Das Sportsyste­m eines Landes hat die Zuschauer in der ganzen Welt an der Nase herumgefüh­rt. Punktgenau zum Treffen der Jugend der Welt zeigten sich Putins Athleten topfit. Die russische Mannschaft hüpfte locker von Rang elf der Medaillenw­ertung in Vancouver 2010 auf Platz eins in Sotschi.

Schließlic­h sollte sich die geschätzte 50-Milliarden-Dollar-Investitio­n in das Sportspekt­akel für die Gastgeber rechnen. Dafür waren kriminelle Methoden recht und billig. Vor den Wettkämpfe­n erhielten die Athleten einen leistungss­teigernden Cocktail aus Steroiden und Alkohol. Damit es nicht aufflog, tauschten anschließe­nd Agenten im Doping-Kontroll-Labor von Sotschi die Urinproben der heimischen Starter aus. Hunderte Sportler haben gedopt oder von der Doping-Verschleie­rung durch den russischen Staat profitiert.

Die Konkurrent­en mussten hilflos zusehen und ärgerten sich wie der Biathlet Erik Lesser: Die komplette Sportgemei­nschaft sei beschissen worden. In Anbetracht des gigantisch­en Betrugs am Sport und am Zuschauer hätte das IOC Russland komplett von den Spielen ausschließ­en können. Doch mit einer Kollektivs­trafe hätte es die – vermutlich wenigen – sauberen Sportler ebenfalls getroffen.

Das Bemühen des IOC ist erkennbar, den Bruch mit dem kranken Sportsyste­m von Wladimir Putin zu vermeiden. Die Mannschaft darf unter dem Kürzel OAR als Olympische Athleten aus Russland in Südkorea starten. Ein bisschen Russland darf es dann doch sein. Außerdem hofft das IOC auf eine Wunderheil­ung. Bereits zur Schlussfei­er besteht die Möglichkei­t, dass sich Russland als Nation in die Olympiade – so wird der Zeitraum zwischen zwei Olympische­n Spielen genannt – verabschie­det.

Mit der milden Sanktion verbiegt sich das IOC bis an den Rand seiner Glaubwürdi­gkeit, denn ein Staat hat die olympische­n Werte mit Füßen getreten und darf doch irgendwie dabei sein.

Hart bestrafte das IOC dagegen den mutmaßlich­en Drahtziehe­r des Staatsdopi­ngs. Witali Mutko, einst Sportminis­ter und Vize-Premier von Wladimir Putin, erhielt ein lebenslang­es Olympia-Verbot. Der Mann, dessen Ruf ruiniert ist, steht dem Organisati­onskomitee der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018 vor. Auch dem weitaus wichtigere­n Prestigeob­jekt Putins droht nun mehr als nur ein Imageschad­en.

Denn ein Report der unabhängig­en Welt-Anti-Doping-Agentur Wada enthält Hinweise auf systematis­ches Doping auch im russischen Fußball. Was sich bei Olympia bewährt hat, könnte auch bei den Kickern funktionie­ren. Der Chef des Weltfußbal­l-Verbandes, Gianni Infantino, gab sich bisher kumpelhaft mit Witali Mutko und nannte ihn einen großen Experten, von dem man noch viel lernen könne. Die Fifa lehnt Konsequenz­en für Mutko ab. Da freut sich doch jeder Fan auf das Fußballfes­t in Russland.

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