Augsburger Allgemeine (Land West)
Vereint um den Adventskranz
Brauchtum Die Schule in Bayern hat sich gewandelt. Immer weniger Kinder sind Christen, immer mehr kommen aus Migrantenfamilien. Trotzdem setzen Lehrer im Advent auf Plätzchen und Weihnachtsbaum. Ein Ortsbesuch
Augsburg
Die jüngste Übergangsklasse an der Augsburger Löweneckschule hat 18 Schüler. Nur eine Schülerin ist Christin, der Rest andersoder nichtgläubig. Wer aber dieser Tage einen Blick in ihr Klassenzimmer wirft, könnte anderes vermuten. An der Wand prangt ein goldenes Kreuz. An der Tafel hängt ein Bild mit Weihnachtsbaum und roten Sternen. Und auf einem kleinen Tisch davor steht ein Adventskranz mit Tannenzapfen und vier Kerzen, von denen seit Montag drei brennen dürfen – aber nur im Ausnahmefall, wenn Lehrerin Monika Reichhart dabei ist und alles unter Kontrolle hat.
Die Schule hat sich gewandelt, auch hier in Augsburg-Oberhausen. Immer weniger Kinder besuchen den konfessionellen Religionsunterricht, dafür steigen die Anmeldezahlen im Fach Ethik. Drei Viertel der mehr als 400 Schüler sind Migrantenkinder. Die Mehrheit von ihnen ist nicht christlich getauft. Trotzdem stehen auch dieses Jahr wieder an Schulen in der Region Weihnachtsbäume und Krippen, singen die Kinder Adventslieder und essen Plätzchen.
Feste Vorgaben für die Adventszeit macht das Bayerische Bildungsministerium nicht. Schulische Aktionen begrüßt es aber. Die Weihnachtszeit sei ein Teil bayerischer Tradition und Kultur, sagt Pressesprecherin Julia Graf. Schulen hätten die Aufgabe, dieses Brauchtum weiterzuvermitteln. Drei Bedingungen müssen allerdings erfüllt sein: Feierlichkeiten dürfen den Unterricht nicht beeinträchtigen. Brennende Kerzen oder Lichter dürfen keine Gefahr für Schüler darstellen. Und die religiösen Empfindungen nicht-christlicher Kinder müssen berücksichtigt werden.
Beschwerden über zu viel christlichen Schmuck in der Adventszeit hat Christoph Janocha-Wiedemann noch nicht erhalten. Dabei laufen nun jeden Tag muslimische Kinder an dem etwa zwei Meter großen Weihnachtsbaum in der Aula seiner Schule, dem Sonderpädagogischen Förderzentrum Ichenhausen, vorbei. „Unsere Schüler haben viele Nationalitäten und kommen aus verschiedenen Orten“, sagt der Schulleiter. „Deshalb ist es wichtig, dass sie unser Brauchtum kennenlernen.“ Dazu gehöre selbstverständlich auch die Adventszeit.
Deswegen hören seine Schüler nun Weihnachtsgeschichten und basteln Weihnachtskarten. Manche Klassen haben zudem einen Adventskranz mit Wachskerzen. „Die werden aber nur unter Aufsicht des Lehrers angezündet und dann wieder sorgfältig ausgeblasen“, sagt Janocha-Wiedemann.
Nicht-christliche Kinder machten bei den vielen Aktionen gerne mit, erzählt der Schulleiter. „Sie freuen sich dann, wenn sie an Weihnachten auch Geschenke bekommen.“
Seit mehr als 90 Jahren gibt es das Mindelheimer Maristenkolleg. Was die Weihnachtsbeleuchtung betrifft, ist die christliche Schule jedoch hochmodern. Wachskerzen wurden durch LED-Kerzen ersetzt. Am Haupteingang steht zudem ein mit Bändern und Tannenzapfen verzierter Adventskranz. Durchmesser mehr als ein Meter. Einen Weihnachtsbaum hat die Schule dieses Jahr allerdings nicht aufgestellt. „Es ist ja noch nicht Weihnachten“, sagt Schulleiter Gottfried Wesseli.
Seit Beginn der Adventszeit treffen sich Schüler jeden Freitag schon um 6.30 Uhr, um gemeinsam zu beten und feiern. Pflicht sei das nicht, sagt Wesseli. Trotzdem kämen jedes Mal mehr als 100 Kinder und Jugendliche.
Monika Reichhart von der Augsburger Löweneckschule ist zwar Religionslehrerin. Mit den Kindern der Übergangsklasse betet sie aber nicht. Dafür singt sie mit den Sechsbis Achtjährigen regelmäßig Lieder. Auch am Erstellen des Schul-Adventskalenders beteiligte sich die Klasse. Sie musste dafür etwas Besonderes basteln. Andere Klassen wählten einen Christbaum oder Sankt Nikolaus als Motiv. Reichharts Schüler entschieden sich dagegen für einen weißen Baum, von dessen Ästen Flocken herabhängen.