Augsburger Allgemeine (Land West)
Wursthersteller klagen gegen Millionen Bußgeld
Prozess Sie sollen jahrelang Preise abgesprochen haben. Nun ziehen einige wieder vor Gericht
Düsseldorf Wegen verbotener Preisabsprachen der Wursthersteller haben Verbraucher in Deutschland nach Überzeugung des Bundeskartellamtes jahrelang zu viel für Aufschnitt bezahlt. Im Jahr 2014 verhängte die Wettbewerbsbehörde deswegen Bußgelder in Höhe von 338 Millionen Euro gegen 22 Wursthersteller und 33 verantwortliche Personen. Ausgestanden ist der Streit noch nicht – im Gegenteil.
Gestern wurde der Streit um das „Wurstkartell“vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht neu aufgerollt. „Wir prüfen noch einmal von vorne“, kündigte der Vorsitzende Richter des 6. Kartellsenats, Ulrich Egger, beim Prozessauftakt an. Vier namhafte Wursthersteller – Wiesenhof, Rügenwalder, Wiltmann und Heidemark – hatten Einspruch gegen die Millionenbußen eingelegt. Allerdings begann die Front der gegen das Kartellamt zu Felde ziehenden Unternehmen bereits zum Verfahrensauftakt zu bröckeln. So zog Wiesenhof seinen Widerspruch in letzter Minute zurück. Das Prozessrisiko, vor allem die Gefahr, eine weit höhere Strafe zu bekommen, sei zu hoch, sagte das Unternehmen. „Auch wenn wir nicht an Preisabsprachen beteiligt waren, haben wir keine Garantie, dass es uns vor Gericht gelingen wird, unsere Unschuld glaubhaft zu beweisen.“
Auch Rügenwalder ist in Gesprächen mit der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft über eine Verständigung vorangekommen. Das Verfahren gegen Unternehmen und Verantwortliche könnte schon im Januar beendet werden. Die Geldbußen lägen dann nach den bisherigen Absprachen wohl in ähnlicher Höhe wie vom Bundeskartellamt verhängt. Doch mögliche Absprachen aus früheren Jahren würden kein Thema mehr sein. Auch zwischen Heidemark und der Anklagebehörde gab es bereits erste Gespräche über eine Verständigung. Lediglich der Wursthersteller Wiltmann und sein Geschäftsführer Wolfgang Ingold zeigten sich am ersten Prozesstag fest entschlossen, das Düsseldorfer Verfahren bis zum Ende durchzuziehen. „Ich stehe für Deals nicht zur Verfügung. Ich bin mir überhaupt keines Fehlverhaltens bewusst“, sagte Ingold.
Der „Wurstskandal“ist allerdings nicht nur deshalb ein Skandal, weil möglicherweise Verbraucher über einen langen Zeitraum geschädigt wurden. Einer ganzen Reihe von beschuldigten Unternehmen war es zudem möglich, durch eine Gesetzeslücke – die sogenannte „Wurstlücke“– den gegen sie verhängten Geldbußen zu entgehen. Sie ließen dabei haftende Tochterunternehmen kurzerhand vom Markt verschwinden, die damit nicht mehr greifbar waren. Insgesamt mussten Verfahren mit einem Bußgeldvolumen von rund 238 Millionen Euro eingestellt werden.