Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie die Bombe unsere Stadt in Atem hielt
Rückblick Am 20. Dezember 2016 stößt ein Baggerfahrer auf einen alten, verrosteten Gegenstand. Es ist eine 1,8 Tonnen schwere Weltkriegsbombe. Wie tausende Helfer und über 50 000 Augsburger besondere Weihnachten erleben
+++ DIENSTAG +++ 20. DEZEMBER
2016 +++ KURZ NACH 16 UHR +++
Auf einem Grundstück an der Jakoberwallstraße sind Arbeiter damit beschäftigt, den Baugrund für ein Neubauprojekt vorzubereiten. Ein Baggerfahrer stößt auf einen Gegenstand, der wie ein alter, verrosteter Tank aussieht. Die Arbeiter rufen die Feuerwehr. Fachleute identifizieren den Fund als Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. 1,8 Tonnen schwer. Abgeworfen wurde sie von der britischen Luftwaffe mit dem Ziel, Wohnhäuser zu beschädigen.
+++ DIENSTAG +++ 20. DEZEMBER
2016 +++ 19 UHR +++++++++++
Bei der Polizei findet die erste Krisensitzung statt. Als Tag für die Entschärfung der Bombe und die Evakuierung der Gefahrenzone wird der erste Weihnachtsfeiertag festgelegt. Bereits jetzt ist auch klar, dass zehntausende Augsburger davon betroffen sein werden.
+++ MITTWOCH +++ 21. DEZEMBER
2016 +++ 12 UHR +++++++++++
Oberbürgermeister Kurt Gribl informiert bei einer Pressekonferenz in der Hauptwache der Feuerwehr die Öffentlichkeit. Gribl wirkt angespannt. Der Krisenstab mit Vertretern von Stadt, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst tagt seit dem frühen Morgen. Die Sprengkraft der Bombe ist enorm. Es steht fest, dass ein Gebiet mit einem Durchmesser von drei Kilometern evakuiert werden muss, ehe sie entschärft werden kann. Das bedeutet: Mehr als 50 000 Augsburger müssen vorübergehend ihre Wohnungen verlassen. Es ist die bis dahin größte Evakuierungsaktion der Nachkriegsgeschichte.
+++ DONNERSTAG +++ 22. DEZEM BER 2016 +++ 14.30 UHR ++++++
Am Fundort wird die Bombe durch ein Zelt abgeschirmt. Polizisten halten Wache. Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollt an. Viele Menschen bieten an, Betroffene bei sich aufzunehmen. Auf Hochtouren laufen auch die Planungen für die Evakuierung mehrerer Pflegeheime, die in der Gefahrenzone liegen. Viele Bewohner müssen per Krankentransport in Sicherheit gebracht werden.
+++ FREITAG +++ 23. DEZEMBER
2016 +++ 11.30 UHR ++++++++
Die Vorbereitungen für die Entschärfung der Bombe haben begon- nen. Hinter einem mit schwarzen Planen verhängten Zaun haben die Mitarbeiter der Kampfmittelräumfirma den Sprengkörper vorsichtig weiter ausgegraben. Sie prüfen, ob die Bombe vom Typ HC 4000 wie angenommen über drei Zünder verfügt. Zudem wird an der Seite des Areals, die zur Straße hin offen ist, nun ein bis zu vier Meter hoher Wall aus Sandsäcken errichtet – falls bei der Entschärfung etwas schief läuft.
+++ SAMSTAG +++ 24. DEZEMBER
2016 +++ ABENDS ++++++++++
Sprengmeister Martin Radons feiert zuhause mit seiner Familie Heiligabend. Aber nur kurz. Er sitzt etwa eine Stunde mit am Tisch, dann geht er ins Bett. Er ist einer von drei Männern, die am nächsten Tag die Fliegerbombe entschärfen. Die Männer sind angespannt. Die Zünder sind stark verrostet, das macht ihre Aufgabe besonders heikel.
+++ SONNTAG +++ 25. DEZEMBER
2016 +++ 8.26 UHR +++++++++
Die Drei-Kilometer-Schutzzone um die Bombe ist komplett abgeriegelt. Rein kommt jetzt keiner mehr. Polizei und Feuerwehr kontrollieren jede Straße und klingeln an den Häusern. Es dauert noch bis 15 Uhr, bis die Evakuierung abgeschlossen ist. Es verzögert sich, weil mehr bettlägerige Personen als erwartet transportiert werden müssen.
+++ SONNTAG +++ 25. DEZEMBER
2016 +++ 15.15 UHR ++++++++
Die Sprengmeister Martin Radons, Christian Scheibinger und Roger Flakowski beginnen mit ihrer Arbeit. Sie müssen die eingerosteten Zünder der Bombe zuerst mit Schmiermitteln lösen und sie dann, einen nach dem anderen, entfernen.
+++ SONNTAG +++ 25. DEZEMBER
2016 +++ 18.48 UHR ++++++++
Im Krisenstab, dessen Mitglieder in der Hauptwache der Feuerwehr an der Berliner Allee ausgeharrt haben, bricht jetzt spontan Jubel aus. Die Sprengmeister haben gemeldet, dass die Fliegerbombe sicher entschärft worden ist – ohne Zwischenfall. Schon etwa 15 Minuten später wird die Sperrung der Gefahrenzone Schritt für Schritt aufgehoben. Über 50000 Augsburger können zurück in ihre Wohnungen. Es dauert noch Stunden, bis der Rücktransport von kranken und hilfsbedürftigen Anwohnern abgeschlossen ist.