Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie Hilfsorganisationen um Mitglieder buhlen
Soziales Stände in der Innenstadt, Hausbesuche und Telefonanrufe: Vereine unternehmen in Augsburg viel, um neue Unterstützer zu gewinnen. Teils stoßen die Methoden auf Kritik
Sie stehen gerne am Kö. Junge Leute, die im Auftrag von Hilfsorganisationen wie „World Vision“oder „Amnesty International“Passanten ansprechen. Ob man einen Moment Zeit habe? Etwas für die gute Sache tun wolle? Den Regenwald, die Tiere? Meist gehen die Menschen an ihnen vorbei, manche bleiben stehen, informieren sich und fangen ein Gespräch an. Die Organisationen werben so vor allem um neue Mitglieder. Und das nicht gerade selten.
In Augsburg stieg die Zahl der Infostände, die von der Stadt für Hilfsorganisationen genehmigt wurden, jahrelang an. 2013 waren es nach Auskunft der Stadt noch 165, im vergangenen Jahr 276. Dieses Jahr wird diese Zahl wohl erstmals wieder zurückgehen. 2017 sind bislang 224 solcher Infostände genehmigt worden – immer noch deutlich mehr also als vor einigen Jahren. Dabei hat die Stadt im Frühjahr 2015 die Anzahl der möglichen Termine deutlich reduziert. Durften Organisationen bis dahin jährlich 20 Termine für solche Infoveranstaltungen wahrnehmen, sind es seither nur noch zwölf. Die damalige Regelung hatte freilich vor allem mit religiösen Gruppierungen zu tun, die Infostände aufstellten: Anhänger des Islam etwa, die kostenlose KoranExemplare verteilten, aber auch selbst ernannte christliche Prediger, von denen sich Passanten in der Innenstadt teils belästigt fühlten.
Dennoch werden auch die Werbeaktionen klassischer Hilfsorganisationen teils als aufdringlich empfunden, und das nicht nur im Fall der Infostände in der Innenstadt. Manche Vereine lassen Mitglieder an Haustüren klingeln, andere rufen in Privathaushalten an. Auch auf lokale Hilfsorganisationen trifft das zu. Martin H.* (Name geändert) etwa berichtet, er sei zwei Monate lang regelmäßig von einer Nummer des Kreisverbandes Augsburg-Stadt des Bayerischen Roten Kreuzes angerufen worden. Dabei, sagt der Rentner, der im Lechviertel lebt, habe er früh klargemacht, dass er weder spenden noch Fördermitglied werden wolle. Dennoch habe er mehrfach täglich die Nummer des BRK auf der Anzeige seines Telefons gesehen. Das, sagt er, habe er schon als belästigend empfunden, aufgehört habe es erst, als er sich beim Kreisverband beschwerte.
Grundsätzlich, sagt BRK-Kreisgeschäftsführer Michael Gebler, müssten alle Hilfsorganisationen in Augsburg um Mitglieder werben, und dazu gebe es unterschiedliche Möglichkeiten. Beim Kreisverband des BRK nutze man zwei: Haustürwerbung oder Akquise über das Telefon. Er könne verstehen, wenn dies teils als aufdringlich empfunden werde, auch wenn er sich nicht erklären könne, wie der Fall des Rentners aus dem Lechviertel entstanden sei. Gebler hat sich bei dem Mann entschuldigt. Jede Beschwerde, sagt er, werde von ihm selber bearbeitet. Der Kreisgeschäftsführer betont, dass der BRK einige Leistungen nur über Fördermitglieder finanzieren kann. Die Rettungshundestaffel etwa, die pro Jahr zwischen 20000 und 30000 Euro kostet, oder Teile der Wasserwacht.
Auch andere Hilfsorganisationen aus Augsburg werben teils offensiv Mitglieder, mit unterschiedlichen Methoden. Von der DLRG heißt es, man setze vor allem auf Mund-zuMund-Propaganda, was im Kinderbereich gut funktioniere, während man ein Problem habe, junge Erwachsene zu gewinnen. Einige Vereine präsentieren sich auf Messen, manche beauftragen Firmen damit, an Haustüren zu klingeln. Wie die Johanniter und die Malteser, die so um Fördermitglieder buhlen.
Die Mitgliederwerbung, sagt der Augsburger Malteser-Geschäftsführer Alexander Pereira, sei „die Grundlage für unsere ehrenamtlichen Projekte“. Früher habe es in dem Zusammenhang öfter den Vorwurf gegeben, es seien „Drückerkolonnen“unterwegs. Das habe sich allerdings seit geraumer Zeit gelegt, Beschwerden gebe es aktuell kaum noch.
Das gilt offenbar auch in Bezug auf die Infostände in der Innenstadt, die oft von international agierenden Vereinen wie „Oxfam“oder „Ärzte ohne Grenzen“beantragt werden. Vor Ort sprechen vielfach nicht Mitglieder dieser Organisationen vorbeieilende Passanten an, sondern Mitarbeiter sogenannter „DialogAgenturen“, die Werber für verschiedene Hilfsorganisationen organisieren. Aggressives Verhalten ist verboten. „Die Werber dürfen sich nur im direkten Umfeld der Stände aufhalten, niemanden festhalten, behindern oder anderweitig belästigen“, heißt es von der Stadt.
Allzu große Probleme mit diesen Auflagen scheint es in Augsburg nicht zu geben. Bei Beschwerden, teilt die Stadt mit, würden die Standbetreiber verwarnt und verstärkt kontrolliert. Bußgelder werden nur selten verhängt. In den vergangenen Jahren waren es nach Auskunft der Stadt drei. »Kommentar