Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Tage auf dem Lerchenber­g sind gezählt

Bis Ende März müssen alle Handwerker, Hobbybastl­er und Autonarren ihre teils riesigen Lagerhalle­n geräumt haben. Noch ist unklar, was mit dem geheimnisu­mwitterten Areal passieren wird. Doch die Gerüchtekü­che brodelt

- VON BÄRBEL SCHOEN

Rischgau/Emersacker Um den Ort ranken sich bis heute große Geheimniss­e. Im Wald zwischen Welden, Zusamalthe­im und Emersacker liegt der Lerchenber­g, abgeschied­en von der Umwelt und abgesicher­t mit hohen Zäunen und teilweise Stacheldra­ht wie ein Hochsicher­heitstrakt. Ein idealer Ort für Menschen, die in Ruhe arbeiten und experiment­ieren wollen. Jetzt könnte Schluss damit sein: Den Mietern auf dem Gelände wurde gekündigt.

Die rund 30 Mieter hätten vor einem halben Jahr die Kündigung erhalten. Sie verlören damit Lagerraum zu äußerst günstigen Konditione­n, bedauert Thomas Ohnheiser aus Rischgau, der den Lerchenber­g wie seine Westentasc­he kennt. Schon als Kind kam er mit Freunden oft in den Wald, um abenteuerl­iche Spiele zu veranstalt­en, später kurvten sie mit allerlei Fahrzeugen auf den Wegen umher. Seinem Vater Helmut schaute er über die Schulter, wie dieser durch Experiment­e ein Mittel für die Autoindust­rie erfand. Heute führt der 35-Jährige selbst Versuche an der Verbesseru­ng von Additiven mit verschiede­nen chemischen Stoffen durch. Der Lerchenber­g war für den gelernten Industriek­aufmann bislang ein geeigneter Ort für kreatives Schaffen. „Schade, dass jetzt Schluss ist“, bedauert er.

Fast 20 Jahre hatte Thomas Ohnheiser einen der zahlreiche­n Bunker im Lerchenber­g angemietet. „Hier würden zwei Sattelschl­epper hintereina­nder Platz finden“, beschreibt er die enorme Größe. Er selbst nutzte den Bunker anfangs für die Sortierung und Reinigung von leeren Dosen, später für sperrige Paletten und große Flüssigkei­tscontaine­r. Rund 100 000 Dosen Systemrein­iger lässt Ohnheiser heute in Jettingen und Augsburg abfüllen und verpacken. Die Inhaltssto­ffe seiner Produkte will er nicht preisgeben – „streng geheim“. Zu groß ist die Konkurrenz an den Tankstelle­n. Die Systemrein­iger sollen nicht nur die Umwelt schonen, sondern Motoren langlebige­r machen.

Was mit dem 40 Hektar großen Gelände geschehen soll, daraus macht der Noch-Besitzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ein großes Geheimnis. Noch fehle ihm die letzte Unterschri­ft, sagte er gegenüber unserer Zeitung. 20 Jahre lang gehörte ihm der Wald zusammen mit den Überresten eines Paraxolwer­ks aus der Zeit des Zweiten Weltkriege­s – Backsteing­ebäude und Bunker.

Damals ließ Hitler hier unter größter Geheimhalt­ung Vorprodukt­e für die Sprengstof­findustrie her- Tonnenweis­e wurden dafür bei der Weldener Bahn Kohle, Methanol, Schwefelsä­ure und Natronlaug­e verladen. Strengste Schweigepf­licht galt für die Zwangsarbe­iter des Paraxolwer­ks. In den Nachkriegs­jahren wurden die Backsteing­ebäude für die Unterbring­ung von Flüchtling­en genutzt. Dann übernahm die Bundeswehr das Gelände und baute 32 erdeingede­ckte Bunker zur Lagerung von gefährlich­er Munition. 1997 begann eine neue Ära, als das umzäunte Gelände in überging. Genutzt wurden die zwei Dutzend in die Jahre gekommenen Backsteing­ebäude und 32 Bunker in den vergangene­n Jahren vor allem von Handwerker­n, Hobbybastl­ern und Autonarren zum Unterstell­en von Fahrzeugen und Maschinen sowie zum Lagern von Putzlumpen, Autoteilen, Papier, Elektronik­teilen und Holz. Jetzt heißt es für die Mieter räumen, räumen, räumen. Bis Ende März soll alles draußen sein. Ein Schrotthän­dler aus Augsburg, der im Lerchenste­llen. berg amerikanis­che Autoschlit­ten restaurier­t, sagt: „Ich weiß gar nicht, wohin mit dem Zeug.“Neue Lagerräume seien schwer zu finden. Und was passiert, wenn alles leer ist? Die Gerüchtekü­che brodelt auf jeden Fall schon kräftig: Der künftige Besitzer soll aus der Immobilien­und Hotelbranc­he kommen und einen Freizeitpa­rk planen – offizielle Auskünfte gibt es nicht.

Vielleicht kommen auch neue Filmteams, die den Ort als Kulisse entdecken. So wie Marcus H. RoPrivatbe­sitz senmüller, der dort im vergangene­n Sommer Szenen für seinen neuen Fußballfil­m gedreht hat.

ODer Lerchenber­g Mehr Informatio nen über den geheimniss­vollen Ort gibt es im Magazin „Die Wunderwaff­e aus dem Wald“von AZ Redakteur Maximilian Czysz, das online über www.augsburger allgemeine.de/shop erhältlich ist. Berichtet wird auch über ein schweres Verbrechen, das sich in einem der noch erhaltenen Chemiebunk­er auf dem Lerchenber­g zugetragen hat.

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Fotos: Marcus Merk, Bärbel Schoen Thomas Ohnheiser (unten, rechts) muss sein Lager bis Ende des Monats räumen. Fast 20 Jahre experiment­ierte er dort mit chemischen Substanzen. Wie ihm geht es rund 20 Handwerker­n, Hobbybastl­ern und Autoliebha­bern, die dort über Jahrzehnte teils riesige...
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