Augsburger Allgemeine (Land West)
Hätte Kira gerettet werden können?
Einem Paar in Reisensburg entläuft ihre Hündin. Sie wird angefahren und liegt die ganze Nacht im Freien. Obwohl der Husky gechipt war, wird die Familie erst spät informiert
Günzburg Es ist der Albtraum eines jeden Hundebesitzers: Das Tier läuft weg, bleibt verschwunden und ist am nächsten Tag tot. Auch Marion und Thomas Held aus Reisensburg haben so ein Familienmitglied verloren: Ihre Huskyhündin Kira lief beim Gassigehen davon und wurde von einem Auto erfasst. Von dem Unfall erfuhren sie am nächsten Morgen. Auch davon, dass Kira die ganze Nacht am Straßenrand gelegen hatte. Und das, obwohl sie ein Halsband trug und gechipt war. In die Trauer des Paares mischt sich Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit, wie nach dem Unfall mit ihrem Tier umgegangen wurde. Was genau ist passiert, und was sagen die Polizei und Kiras Tierärztin dazu? Hätte der Hund gerettet werden können?
Es war vergangenen Donnerstag gegen Spätnachmittag, als Thomas Held mit den beiden Hunden des Paares, Husky Kira und Collie Bailey, auf einem Feldweg in Reisensburg spazieren ging. Plötzlich riss der Karabiner, der Kiras Leine mit dem Halsband verband. Der Collie animierte sie zum Spielen, und beide rannten los. Bailey kam zurück, Kira nicht.
Im strömenden Regen habe sie den ganzen Abend nach Kira gesucht, sagt Marion Held. Auch am nächsten Morgen. Und beim Tierheim angerufen. Ohne Erfolg. Dann meldete sich die Polizei. Es habe einen Unfall mit einem Husky gegeben und der Hund habe nicht überlebt, habe ihr der Beamte mitgeteilt. Der Hund würde gerade von der Straßenmeisterei auf der Staatsstraße Richtung Offingen abgeholt. Das Halsband liege zur Abholung bei der Polizei. Dort erzählte man dem Paar, der Unfall habe sich am Abend gegen 19.45 Uhr ereignet. „Wir waren beide geschockt“, erzählt Held. „Und es geht mir immer noch nach, dass man einen Hund über Nacht am Straßenrand liegen lässt.“
Zu Hause sah ihr Mann eine Unfallmeldung im Internet, dass sich der Besitzer eines verunglückten Huskys bei der Polizei melden solle. „Wieso sucht man den übers Internet und liest nicht den Chip aus?“, fragt Marion Held und sagt: „Das Halsband nimmt man mit und den Hund lässt man liegen. Das verstehe ich überhaupt nicht.“Ihre Hündin sei „so was von transparent“und überall gemeldet gewesen.
Der Unfallfahrer, den sie nicht
zuletzt wegen des entstandenen größeren Schadens an seinem Auto kontaktiert hatte, schilderte ihr den Vorgang so: Der Husky habe versucht, zwischen Nornheim und Rettenbach über die Straße zu rennen. Das vor ihm fahrende Auto habe noch ausweichen können, er aber habe den Hund voll erwischt. Mit der Hilfe anderer Fahrer habe er ihn neben der Straße ins Gras gelegt.
Und gemeinsam mit den Beamten hätten alle beschlossen, dass der Hund tot sein müsse, beschwert sich Marion Held. „Da lag ein schwer verletzter Hund neben der Straße und es kam keiner auf die Idee, diesen zum Tierarzt zu fahren beziehungsweise einen Tierarzt anzurufen“, schreibt sie in einem Brief an unsere Zeitung. Das sei unterlassene Hilfeleistung beim Tier. „Es wäre innerhalb weniger Minuten möglich gewesen, den Besitzer herauszufin-
den.“Und man hätte keine Straßenmeisterei rufen müssen, sie hätte sich um alles gekümmert.
Günzburgs Polizeichef Stefan Müller sagt: „Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass jeder Polizist Tierhalter ist“– und wisse, wo er einen solchen Chip finde. Er sei selbst nicht dabei gewesen, sagt er, aber er gehe davon aus, dass die Kollegen vor Ort alles geprüft hätten. Allgemein werde immer dann ein Tierarzt dazu geholt, wenn Zweifel bestehen, ob das Tier tot ist.
Kiras Tierärztin, Miriam KlingWillenborg von der Kleintierpraxis am Stadtbach in Günzburg, sagt: „Ich würde davon ausgehen, dass die Polizisten das in der Situation richtig beurteilen können.“
Wahrscheinlich hätten schwere innere Verletzungen zum Tod geführt. Doch um jeglichen Zweifel auszuschließen, brauche es einen
Fachmann. Denn „Hunde können durch einen Schock eine gewisse Bewusstlosigkeit“, eine stark reduzierte Atmung, haben. Kiras Fall sei besonders tragisch, da der Hund gechipt gewesen sei. Der Chip sitze einheitlich immer an der linken Halsseite. Es wäre sinnvoll, dass sämtliche Stellen wie Polizei und Feuerwehr, die mit so etwas in Berührung kommen, das wissen und Lesegeräte haben, sagt die Ärztin. Denn so bleibe beim Besitzer die schreckliche Vorstellung, dass das Tier eventuell noch gelebt haben könnte. Auch sei es ein Problem für die Familie, dass eher der Schaden am Auto hängen bleibe. „Das tut weh.“
Das bestätigt auch Marion Held. Der Schaden für den Autofahrer werden sie natürlich begleichen, sagt sie. Doch „für den uns entstandenen Schaden haftet niemand“.