Augsburger Allgemeine (Land West)
Zurück in die Zukunft
Von wegen klein und öko: Auf der Autoshow in Detroit gehört den schweren Geländewagen wieder die Bühne. Das widerspricht zwar dem Zeitgeist. Doch sind es genau diese Autos, die sich in den USA glänzend verkaufen
Detroit Die Autoindustrie justiert ihren Kalender: Hat sie vor kurzem bei der Elektronikmesse CES in Las Vegas noch weit in die Zukunft geschaut, ist die PS-Branche zur Motorshow in Detroit wieder im Hier und Heute gelandet. War in Las Vegas noch Hightech das Thema, steht jetzt wieder Heavy Metal auf dem Programm. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn es sind in jeder Hinsicht vor allem Schwergewichte, die auf der noch immer wichtigsten Messe auf dem US-Markt (Publikumstage: 20. bis 28. Januar) ihre Premiere feiern.
Aus internationaler Perspektive ist das vor allem die Mercedes G-Klasse, die nach 39 Jahren tatsächlich noch einmal einen Generationssprung macht und vor allem mit Komfort und Kontrolle überzeugen will. Und obwohl der urige Geländewagen dabei immerhin 170 Kilo abgespeckt hat, wiegt er noch immer mehr als zwei Tonnen. Trotzdem können sie darüber bei Chevrolet und Ram nur lachen.
Denn beide US-Marken präsentieren mit neuen Monster-Pick-ups zwei dicke Brocken: Sie stellen mit dem Silverado und dem Ram 1500 die Nummern zwei und drei im wichtigsten Segment des US-Marktes auf die Bühne. Die Autos mögen zwar anachronistisch wirken, sind aber gegen Neuerungen nicht immun. Nicht umsonst wird der Chevrolet erstmals mit einem Diesel angeboten, den es im Ram schon länger gibt. Und auch der Marktführer Ford F150 bekommt zur Motorshow einen Selbstzünder und soll so deutlich sparsamer werden, kündigt Ford an.
Das größte Einsparpotenzial bieten die Kölner aber mit einem neuen Ranger, der nach langer Abstinenz wieder auf den US-Markt zurückkehrt und als kleiner Bruder des F-150 die konsequente Schrumpfkur propagiert. Wobei er mit deutlich über fünf Metern natürlich trotzdem kein kleines Auto ist.
Große Autos für grobe Strecken, das geht selbst in Amerika auch ohne Pritsche. Denn genau wie der Rest der Welt schwärmt auch Otto Normalverbraucher vom SUV – und bekommt in Detroit ein paar interessante Neuheiten geboten. So gewährt Lexus in der Oberklasse mit der Studie LF-1 einen ersten Ausblick auf den Nachfolger des RX, Ford lässt beim Edge mit einer 335 PS starken ST-Variante die Muskeln spielen. Und BMW stellt am anderen Ende des Marktes zum ersten Mal den X2 auf eine Messe, der die Lücke zwischen X1 und X3 schließen soll.
Neben den Pick-ups und den Geländewagen erregen ein paar neue Limousinen die Aufmerksamkeit. Zu nennen wäre da ein nagelneuer und ziemlich gereifter VW Jetta, der allerdings nicht mehr nach Europa kommt. Und der Audi A7, der auf der US-Messe seine offizielle Premiere feiert. Doch für den amerikanischen Markt noch wichtiger sind der Toyota Avalon, der das sogenannte Sedan-Segment zusammen mit seinem kleinen Bruder Camry dominiert, sowie der Kia Forte, den es in Europa nicht zu kaufen gibt.
Neben diesen eher bodenständigen und bürgerlichen Neuheiten sucht man nicht nur vergebens nach sonderlich innovativen Autos. Auch Lust und Leidenschaft kommen ein bisschen zu kurz. Doch so ganz ohne Sinn und Sinnlichkeit geht es selbst im kalten Michigan nicht. Dem Auge schmeichelt deshalb die Infiniti-Studie Q Inspiration. Für den Gasfuß gibt es bei Mercedes-AMG einen neuen Reihensechszylinder mit 435 PS. Wer nach großem Spaß für kleines Geld sucht, wird wahlweise beim überarbeiteten Mini oder bei der zweiten Auflage des Hyundai Veloster fündig, der als buchstäblich schräger Dreitürer seinen Weg auch wieder nach Europa machen dürfte.
Limousinen zum kleinen Preis – wegweisend sind die Neuheiten aus Detroit ganz sicher nicht. Und nicht einmal innovativ. Aber während sie vielleicht den Zeitgeist verfehlen, werden sie den Geschmack zahlreicher Kunden treffen. Denn draußen im Land geht es lange nicht so grün und futuristisch zu, wie es auf der CES in Las Vegas den Eindruck machte. Spätestens wenn man die Küstenstaaten verlassen hat, muss man die Autos von Tesla und den hybriden Prius lange suchen.