Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit Diebesgut in der Evakuierungszone
Während an Weihnachten 2016 die große Bombe entschärft wurde, stoppte eine Polizeistreife einen Mann in der leeren Stadt. Er hatte unter anderem einen Fernseher dabei. Wo stammte er her?
Einbrüche, während die Bewohner auf einer Beerdigung sind, auf einer Hochzeit oder im Urlaub – alles nicht ungewöhnlich. Kaum verwunderlich, dass auch eine komplett evakuierte Innenstadt Einbrecher anlocken könnte. Vor dem Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts muss sich jetzt ein 50-Jähriger verantworten, der an Weihnachten
2016 in zwei leer stehende Wohnungen eingebrochen sein soll. Über
50 000 Augsburger hatten wegen der Entschärfung einer tonnenschweren Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg ihre Wohnungen verlassen müssen.
So wie in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sei es nicht gewesen, so der Angeklagte in seiner Aussage vor dem Schöffengericht. Nicht er habe die beiden Wohnungen im ersten Stock eines Hauses in der Lechhauser Eichhornstraße aufgebrochen, sondern jemand anderes, und zwar bereits am Heiligen Abend. Er selbst, der im zweiten Stock dieses Hauses wohnt, habe vielmehr nach dem Verschwinden der unbekannten Einbrecher die beiden Wohnungen wieder verschlossen. Und er habe mehrere Gegenstände, die im Flur und im Treppenhaus lagen, zu sich genommen. Der Mann räumte ein, einen Fernseher aus einer Wohnung mitgenommen zu haben, den er zur Finanzierung seiner Drogensucht habe verkaufen wollen.
Darüber hinaus soll der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft weitere elektrische Geräte (CD-Spieler, Radio, Rasierapparat) im Wert von über 1000 Euro entwendet haben. Den Sachschaden beziffert die Anlageschrift auf rund 1000 Euro.
Die Mieter der beiden aufgebrochenen Wohnungen konnten als Zeugen wenig zur Aufklärung beitragen, da sie beide ihre Räume schon länger vorher verlassen und nichts von den Einbrüchen mitbekommen hatten. Etwas weiterhelfen konnte dem Gericht ein 15-jähriger Zeuge, der mit seiner Mutter im zweiten Stock in dem Haus lebt. Er habe, während die Familie den Heiligabend feierte, Lärm gehört, ein dumpfes Klopfen. Irgendwann später am Abend habe er aus der Türe gerufen und nach Ruhe verlangt. Er glaube, dass ihm sein Nachbar, der Angeklagte, geantwortet hätte, gesehen habe er aber niemanden. Als der Lärm nicht aufhörte, habe er die Polizei angerufen, die sei aber erst am nächsten Abend gekommen. Später hätten er und seine Mutter den Nachbarn durch den Türspion beobachtet, wie er einen Fernseher in seine Wohnung schaffte.
Dann folgte der Evakuierungstag: Während sie in Lechhausen auf einer „Raumschutzstreife“die Evakuierung kontrollierten, erklärte ein Polizeibeamter, sei ihnen am Sonntagmittag in der Waterloostraße der Angeklagte aufgefallen. Er habe einen vollgestopften Rucksack getragen und nahe bei ihm stand sein Gepäcktrolley mit anderem Gerät, darunter ein großer Fernseher.
Den Beamten habe der Mann erklärt, dass er die von ihm mitgeführten Sachen (am Weihnachtssonntag) in einem Elektrogeschäft habe verkaufen wollen. Von den Polizisten sei der einschlägig bekannte Mann (elf teils einschlägige Vorstrafen) außerhalb der Evakuierungszone gebracht worden, die Gegenstände wurden wegen des Verdachts auf Diebstahl sichergestellt. Erst am Abend des ersten Weihnachtsfeiertages, nachdem die Bombe erfolgreich entschärft worden war, habe die Polizei den vermuteten Diebstahl weiterverfolgen können.
Weitere wichtige Details für das Verfahren erhoffen sich Verteidiger Felix Hägele und Richterin Susanne Scheiwiller von den zuständigen Beamten des Kriminaldauerdienstes. Daher wurde die Verhandlung unterbrochen, die Beamten geladen und ein Fortsetzungstermin in der kommenden Woche anberaumt.
Zuvor hatte ein Sachverständiger ausgeführt, dass eine Blutspur, die an einer der aufgebrochenen Türen gefunden worden war, nach einer DNA-Analyse quasi zweifelsfrei von dem Angeklagten stammt.