Augsburger Allgemeine (Land West)
Mediziner warnt vor Panikmache
Warum die Grenzwerte bei Stickoxiden so unterschiedlich sind
Herr Drexler, wie stellen Mediziner fest, wie schädlich Stickoxide sind?
Hans Drexler: Epidemiologen untersuchen die Auswirkungen bei Menschen, die in ihrem Alltag stark exponiert sind. Und Toxikologen untersuchen die Wirkung in Versuchen mit Tieren und Menschen. Solche Versuche sind unverzichtbar. Es ist unehrlich, zu sagen, man will maximale Sicherheit, aber keine Versuche mit Tieren und Menschen.
Warum sind die Grenzwerte bei Stickoxiden so unterschiedlich? Für die Außenluft in der EU übers Jahr 40 Mikrogramm je Kubikmeter, für Arbeitsplätze in Industrie und Handwerk in Deutschland 950 Mikrogramm?
Drexler: Zum einen geht es um verschiedene Zielgruppen. Kinder, Alte und Asthmakranke, die ihr ganzes Leben lang 40 Mikrogramm einatmen, sollen keinen Schaden erleiden. Die 950 Mikrogramm gelten für gesunde Erwachsene, 40 Stunden die Woche, ein Arbeitsleben lang. Zum anderen beruhen die Grenzwerte oft auf unterschiedlichen Daten. In einer Studie wurde etwa festgestellt, dass Kinder in Wohnungen mit Gasherd häufiger krank wurden als in Wohnungen mit Elektroherd. Die Weltgesundheitsorganisation leitete daraus dann den Grenzwert von 40 Mikrogramm ab.
Die Umwelthilfe sagt, in Deutschland verursache NO2 jährlich 12860 vorzeitige Todesfälle. Müssen Menschen nun Angst um ihr Leben haben?
Drexler: Tote, da entsteht Angst. Man sollte schon seriös bleiben. Ich halte diese Zahlen nicht für wissenschaftlich gut begründet.
Muss der 40-Mikrogramm-Grenzwert strikt durchgesetzt werden?
Drexler: Ein Grenzwert soll verhindern, dass messbare Effekte Menschen krank machen. Auch bei 100 Mikrogramm NO2 sehen wir noch keinen solchen Effekt. Ein Grenzwert mit Sicherheitsfaktoren ist eine gesellschaftliche Entscheidung. Das ist keine Sache der Wissenschaftler.
Und Ihre private Meinung?
Drexler: Ich hielte Fahrverbote für medizinisch nicht begründbar, wenn man die NOx-Belastungen als Grundlage heranzieht. Hans Drexler lehrt an der Uni Erlangen Nürnberg und ist Präsident der Deut schen Gesellschaft für Ar beits und Umweltmedizin.