Augsburger Allgemeine (Land West)
Temperaturen wie in Spanien
Der ARD-Meteorologe Karsten Schwanke erklärt, warum das Dieselverbot fürs Klima ein Problem ist und wie sich das Leben von uns allen durch die Erderwärmung verändern wird
Die vergangenen Tage waren geprägt von Eiszeit und Frost in Deutschland. Das perfekte Wetter für einen Meteorologen? Weil alle nicht nur übers Wetter reden, sondern es auch spüren? Karsten Schwanke: Ich bin Winterfan. Von daher ist es erst mal schön, wenn es so knackig kalt ist. Aber ich finde es vor allem dann interessant, wenn man etwas erzählen kann. Deshalb interessiert mich eigentlich mehr, was in den nächsten Tagen passiert, wenn die Kältewelle zu Ende ist. Gibt es Schneefall? Gibt es Glatteisregen? Wenn es drei Wochen lang so wäre – Hochdruckgebiet, kalt und trocken –, dann wird es irgendwann auch langweilig. Über die Kälte wurde in den vergangenen Tagen genug gesprochen. Ein weiteres Thema, für das Sie Experte sind, ist der Klimawandel. Was sind die häufigsten Klimamärchen und Klimairrtümer, die kursieren? Schwanke: Man muss sagen, dass wir noch immer sehr wenig darüber wissen, was bei uns ganz konkret passiert. Ganz sicher ist: Es wird wärmer, das ganze Jahr über in allen Jahreszeiten. Und wir wissen relativ sicher, dass das im Sommer zu Hitzeperioden, zu mehr Trockenheit führen kann. Und aber gleichzeitig zu mehr Starkniederschlägen. Aber schon da wird das Eis sehr dünn. Die Tendenz der Starkniederschläge ist bisher nur schwach ausgeprägt. Wir gehen aber davon aus, dass bei einer weiteren Erwärmung Hagel, Unwetter, Gewitter häufiger werden. Was die Irrtümer betrifft: Meistens begegnet man Skepsis. Weil nicht nur der US-Präsident Klimaveränderungen leugnet? Schwanke: Auch hierzulande hört man immer wieder: Stimmt das eigentlich? Sind wir das beim CO2? Beides muss man mit Ja beantworten. Die Temperaturkurve geht nach oben und man kann nicht die Sonnenaktivität dafür verantwortlich machen. Ich vermute, die Menschen wissen es eigentlich.
Warum verneinen es dann so viele? Schwanke: Wir alle haben Angst vor zu großen, zu schnellen Veränderungen. Und wir müssen uns rapide verändern. Deshalb klammern sich viele an eine Hoffnung. Oder an die Politiker, die ihnen erzählen, dass wir nichts verändern müssen. Es hat was zu tun mit Verlustängsten. Und mit der Angst davor, dass Lebensqualität abnimmt. Natürlich findet sich immer die Ausrede, doch das Auto zu nehmen und nicht die Bahn. Aber wir müssen.
Und die Politik, was müsste die? Schwanke: Deutschland war mal ganz weit vorn mit dem Engagement und als Antreiber für den Klimaschutz. Was wir zurzeit erleben: Es wird nur auf die alte Industrie geschaut. In den Ländern mit Braun- kohle, wie Brandenburg, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen, wird alles dafür getan, dass die Braunkohle erhalten bleibt. Dabei müssten wir eher heute als morgen aus der Braunkohle raus. Dazu hat sich Deutschland mit der Unterschrift unter das Pariser Klimaabkommen verpflichtet. Aber die Politik handelt nicht entsprechend. Und auch sonst wird wenig getan, um dieses Land strukturell zu erneuern. Die Angst vor der Autoindustrie ist ganz deutlich. Wenn jetzt weniger Leute Dieselfahrzeuge kaufen und dafür mehr Benziner, weil sie Angst haben vor Fahrverboten, dann wird der CO -Ausstoß noch einmal steigen.
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Das heißt auch: wärmere Sommer. Schwanke: Ja, Komma, aber. Ein gern gehörtes Argument: Wenn es bei uns ein paar Grad wärmer wird, ist das doch schön. Im Jahresmittel werden wir in 100 Jahren die Temperaturen bekommen, die wir heute in Italien und Spanien haben. Das Hauptproblem ist aber nicht die höhere Temperatur. Das Hauptproblem ist der Wandel, die rasante Veränderung. Für unsere Vegetation wird es kritisch. Klimaflucht wird ein Thema werden. Es wird weltweit Klimaflüchtlinge geben. Deutschland hat das Klimaabkommen unterschrieben und muss 2050 auf einen CO2-Ausstoß von null Tonnen kommen. Ich verstehe nicht, warum wir noch warten. Wenn wir den Klimawandel ansatzweise in Schach halten wollen, müssen wir heute anfangen.
OZur Person Diplom Meteorologe Karsten Schwanke, 49, lebt in Köln und präsentiert seit sieben Jahren im Ersten das „Wetter vor acht“. Vorher mode rierte er „Abenteuer Wissen“im ZDF.