Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo bleibt der Respekt?
„Vogelzeigen“, den „Stinkefinger“heben? Hupen, Fluchen, Drohen – jeder, der zu Fuß, auf dem Fahrrad, mit dem Auto unterwegs ist, kennt solche Situationen, in denen man in Bedrängnis gerät und mitunter gar aus der Fassung. Sie sind auf unseren Straßen alltäglich. Verroht unsere Gesellschaft? Da gibt es im TV das „Dschungelcamp“. Widerlich und schrecklich. Wie muss es eigentlich um den Respekt gegenüber sich selbst bestellt sein, wenn man sich so zum Affen machen lässt? Haben wir den Respekt voreinander verloren, obwohl Respekt in der Familie, in der Schule, im Sport, im Umgang in der Gesellschaft ein hoher Wert und sogar ein Erziehungsziel ist? Was ist eigentlich Respekt? Wie kann ich mir Respekt verschaffen? Was tue ich, wenn ich nicht respektiert werde, und wie kann ich mit Menschen respektvoll umgehen, die andere Ansichten haben als ich? Und: Was hat Respekt mit Religion zu tun?
Respektvoller Umgang schafft eine Gemeinschaft mit Zukunft. Das Wort leitet sich ab von dem lateinischen Verb „respicere“, was zunächst „zurückblicken“bedeutet. Gemeint ist aber vielmehr: Rücksicht zu nehmen. Ein Gefühl dafür zu haben, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Es geht um eine Form der Wertschätzung dafür, dass der andere anders ist und dass ich bereit bin, dieses andere nicht nur hinzunehmen, sondern anzuerkennen. Deshalb respektiere ich auch die Entscheidung meines Mitarbeiters, den Job zu kündigen, auch wenn sich daraus für mich Nachteile ergeben.
Aber das kann ich hinnehmen, weil ich mir sicher bin, dass er gute Gründe für seine Entscheidung hat. Wenn ich etwas respektiere, akzeptiere ich es nicht nur, sondern halte es für gut, vielleicht sogar für bewundernswert, ohne es selbst in Anspruch zu nehmen. Weil jeder Mensch von Gott als Sein Ebenbild geschaffen ist, gebühren ihm unser Respekt und unsere Wertschätzung. Das ist der tiefste und ausschlaggebende Grund unseres Respektes.