Augsburger Allgemeine (Land West)
58 Buchstaben locken Touristen in Scharen
Viele wollen nach Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch
Llanfairpwll „Ich habe noch nie so viele Leute aus aller Welt gesehen – und das ausgerechnet hier.“Gwenno Ann Gawler, Verkäuferin im kleinen Delikatessenladen eines abgelegenen Dorfes in Wales, ist verblüfft über die Heerscharen von Touristen. „Chinesen, Japaner, Russen, Franzosen, Niederländer – sie kommen einfach alle.“Es ist der 58 Buchstaben lange Name des Ortes in Wales, der die Touristen in Scharen anlockt. Er heißt: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Es hat den längsten amtlichen Ortsnamen in Europa.
Für Fremde ist die Ortsbezeichnung nahezu unaussprechbar. Schon die vier „l“hintereinander stellen Nicht-Waliser vor Rätsel. Wer glaubt, dass dieser Name Humbug ist, der irrt gewaltig. Er bedeutet: „Marienkirche in der Mulde der weißen Hasel, in der Nähe eines schnellen Strudels und der Kirche St. Tysilio bei der roten Höhle“.
Das Bahnhofsschild gehört wohl zu den beliebtesten Fotomotiven in Wales. Das Wortungetüm entstand im 19. Jahrhundert – schon damals als Marketing-Gag. Ursprünglich hieß der Ort nur Llanfair Pwllgwyngyll. Doch als ab den 1850er Jahren eine Eisenbahnlinie durch das Dorf führte, suchten die Bewohner nach einer Möglichkeit, die Reisenden zum Zwischenstopp zu bewegen. Ein gewiefter Schuster hatte sich dann den werbewirksamen langen Namen ausgedacht.
Die Rechnung ging auf: Zahlreiche Reisegruppen besuchen seitdem den Ort auf der Insel Anglesey, die durch Brücken mit dem Festland verbunden ist. Etwa 3000 Einwohner leben dort. Die Idee des Schusters war ein Glücksfall, denn sonst ist nicht viel los in Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Der Ort liegt in der Nähe, aber nicht direkt an der Irischen See. Und für Wanderer sind die Ausläufer des Snowdonia-Nationalparks zu erkennen, aber das Gebirge ist noch ein ganzes Stück weg. Die meisten Häuser könnten ein paar Töpfe Farbe gebrauchen. Schön ist anders.
Normalerweise machen auf der entschleunigten Insel im Nordwesten von Wales, die mehr Schafe als Bewohner hat, nur Eingeweihte Urlaub. Prinz William und Herzogin Kate hatten auf Anglesey gelebt, als William dort als Huschrauberpilot für die Royal Air Force stationiert war. Prominenz gab es auch direkt im Dorf. Schauspielerin Naomi Watts lebte als Kind dort bei ihren Großeltern. In einen Film schaffte es der Ort ebenfalls – als Kennwort in der Comicverfilmung „Barbarella“.
Die Einwohner profitieren zwar vom Namen ihres Ortes, nennen ihn aber meist selbst nur Llanfair oder Llanfairpwll. Auf der Insel Anglesey beherrschen fast 70 Prozent der Einwohner Walisisch, das auch an Schulen unterrichtet wird. Sowohl Walisisch als auch Englisch sind die Amtssprachen in Wales.
Aber: Der 58-Buchstaben-Ort ist nichts im Vergleich zu Thailands Hauptstadt Bangkok in der Landessprache. Sie gilt als längste Ortsbezeichnung weltweit und bringt es locker auf das fast Dreifache an Buchstaben. Ganz kurz geht es auch: Viele Ortsnamen bestehen nur aus einem einzigen Buchstaben, zum Beispiel Å in Skandinavien, was etwa kleiner Fluss bedeutet.
Die Menschen in Wales brachte das auf eine weitere Idee: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch schloss werbewirksam Partnerschaften mit Orten, die extrem kurze Namen haben. Seitdem verbindet die Waliser eine Freundschaft mit dem niederländischen Dorf Ee und einer kleinen Gemeinde in Frankreich: Y.