Augsburger Allgemeine (Land West)
Frauen verdienen noch immer weniger als Männer
Die Lücke beträgt 21 Prozent. Um das zu ändern, muss ein Tabu fallen
Berlin Das Problem ist längst bekannt – und will doch nicht verschwinden. Frauen verdienen weniger Geld als Männer, oft sogar für die gleiche Arbeit. Während Männer im vergangenen Jahr auf einen durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 21 Euro kamen, waren es bei Frauen mit 16,59 Euro 21 Prozent weniger. Und das heißt: Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen war nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr genauso groß wie 2016.
Um daran etwas zu ändern, bleibt Frauen nur eins: Über das Gehalt sprechen. Doch das ist oft ein Tabubruch. „Aber ans Ziel kommen wir nur, wenn wir über Geld sprechen, auch wenn das verpönt ist“, sagt Henrike von Platen, Gründerin der Unternehmensberatung Fair Pay Innovation Lab (FPI).
Klar: Über Geld spricht man eigentlich nicht, zumindest in Deutschland. Aber dieses Tabu sorgt dafür, dass sich die Lohnlücke nicht schließt, sagt von Platen. Denn wenn eine Arbeitnehmerin nicht weiß, ob sie ungerecht behandelt wird, kann sie auch nicht dagegen vorgehen. „Das kann auch heißen, dass Frauen ihre männlichen Kollegen ganz konkret fragen, was sie verdienen.“
Allerdings sagen die Statistiker des Bundesamtes auch, dass sich drei Viertel der Lohnunterschiede durch strukturelle Gründe erklären lassen. So werden Berufe, die vor allem Frauen ergreifen, schlechter bezahlt. Außerdem arbeiten mehr Frauen als Männer in Teilzeit und auch weniger Frauen in einer Führungsposition. Doch es gibt auch die anderen Fälle – Frauen, die bei gleicher Qualifitkation und Tätigkeit weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Dann beträgt der Unterschied zwar nicht 21 Prozent, aber immer noch sechs Prozent. Die Zahlen werden allerdings nur alle vier Jahre erhoben – das heißt, die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014.
Wer wissen möchte, ob er genauso viel verdient wie seine Kollegen, dem bietet das Entgelttransparenzgesetz dazu die Möglichkeit – allerdings mit Einschränkungen. Es gilt nur für Unternehmen mit mindestens 200 Mitarbeitern und nur dann, wenn es mindestens sechs Kollegen des jeweils anderen Geschlechts mit dem gleichen Job gibt. Auch dann erfahren Arbeitnehmer nur einen Durchschnitt. Nicht jede Ungerechtigkeit wird damit sichtbar.
Trotzdem plädiert von Platen dafür, den Auskunftsanspruch zu nutzen. Denn auch wenn das der Einzelnen nicht weiterhilft, werden so die Verantwortlichen in den Unternehmen gezwungen, sich die Zahlen anzuschauen. „Viele Unternehmen gehen davon aus, dass bei ihnen alles in Ordnung ist – haben ihre Entgeltstrukturen aber noch nie überprüft“, sagt sie.
Und wenn eine Frau tatsächlich schlechter bezahlt wird? Dann gibt es theoretisch die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen. „Ich plädiere aber immer dafür, erst das Gespräch zu suchen“, sagt von Platen. „Am besten gelingt das Gespräch, wenn es nicht gleich in die Konfrontation geht.“Denn viele Unternehmen stehen noch am Anfang, wenn es um den transparenten Umgang mit Gehältern geht, sagt von Platen.