Augsburger Allgemeine (Land West)
Drei Jahre ohne Auto
Der Autor Thomas Hack verzichtet schon seit drei Jahren auf das Auto. Doch gerade auf dem Land gibt es Nachteile
Seit drei Jahren ist AZ-Autor Thomas Hack ohne Auto unterwegs. Wie er zu Terminen kommt und welche Vor- und Nachteile das hat, lesen Sie auf
Landkreis Augsburg/Stadtbergen Ein rasender Reporter ohne rasenden Untersatz? Das kann niemals funktionieren! So dachte ich zumindest, als vor drei Jahren unser silbergrauer Opel Astra mit einer ungewöhnlichen Spielart des Kolbenfressers sang- und klangvoll sein Leben aushauchte. Gerade als Berichterstatter muss man doch flexibel sein und bis ins äußerste Dickicht des Augsburger Landkreises vordringen können.
Und dennoch: Bereits zwei Wochen nach dem leidvollen AstraKollaps hatte sich bei mir bereits schon so etwas wie ein Umdenken eingestellt.
Wenn man mit einem Male kein Auto mehr besitzt, muss man sich zwangsläufig mit der vorhandenen Infrastruktur der einzelnen Gemeinden auseinandersetzen, die im Falle des Landkreises weitaus besser aufgestellt ist, als man vielleicht denken mag – zumindest was meine wichtigsten Einsatzgebiete anbelangt:
Von meinem Wohnort Stadtbergen bis zum Augsburger Hauptbahnhof sind es mit der Straßenbahn 13 Minuten, mit dem Zug nach Neusäß weitere sechs Minuten. Auch Diedorf ist von dort gerade einmal zwölf Minuten weit entfernt.
Und dass von Stadtbergen aus ein Bus direkt die Gersthofer Stadthalle ansteuert, war mir zu luxuriösen Autozeiten nicht mal ansatzweise bekannt. Vieles, was ich vorher bequem abgefahren bin, wird jetzt eben bequem zu Fuß erledigt. Kein Autobesitzer wird vermutlich jemals darüber nachgrübeln, ob man von Stadtbergen nach Diedorf auch laufen kann – doch über den Bismarckturm und einen anschließenden lauschigen Waldweg ist man tatsächlich schneller am Ziel, als man es für möglich hält.
Für mich war jedoch noch viel erstaunlicher, dass sich meine räumliche Wahrnehmung ohne das Auto in gravierender Weise geändert hat: Man bekommt eine ganz neue Sensibilität für die Natur, das Landschaftsbild und die Eigenheiten der unterschiedlichen Landkreisgemeinden. Es macht mir mittlerweile wirklich Freude, versteckte Feldwege zu erkunden oder durch bisher unbekannte Ortsteile zu spazieren.
Und was ist mit der Zeit, die man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zusätzlich einplanen muss? Diese sah ich persönlich niemals als ver- schwendet an, sondern habe sie vielmehr als „zeitweilige“Verlegung meines Arbeitsplatzes genutzt.
Vor einem Presseauftrag gehe ich im Bus nochmals in Ruhe meine Vorabinfos durch, nach der Veranstaltung beginne ich während der Rückfahrt bereits, mit Schreibblock und Kugelschreiber den Zeitungsbericht zu verfassen. Zudem habe ich immer mindestens zwei Bücher im Gepäck mit dabei. Und da ich mir nie ein Smartphone zugelegt habe, spielen Daumen und Daddeln für mich glücklicherweise keine Rolle bei der Trambahnfahrt, was mir zusätzlich drei Stunden mehr Zeit am Tag verschaffen soll, wenn man aktuellen Statistiken Glauben schenken mag.
Ganz nebenbei komme ich ohne begrenzendes Blech um mich herum sehr viel schneller in Kontakt mit anderen Menschen, als dies vorher der Fall war, was mir schon so manch spannenden Stoff für einen interessanten Zeitungsbericht geliefert hat.
Freilich dürfen aber auch die Nachteile einer autofreien Existenz nicht verschwiegen werden. Mit Bussen erreicht man zwar ganz bequem fast jeden Ort im Landkreis, doch wenn ein Journalist nach der Abendveranstaltung ausnahmsweise auch wieder zurückkommen will, hat er es deutlich schwerer:
Viele Kommunen scheinen von vornherein nicht davon auszugehen, dass irgendjemand zur unchristlichen Zeit von 22 Uhr noch grob in Richtung Fuggerstadt fahren möchte – dies ist sehr schade, denn so entgehen einem leider immer wieder mal schöne Presseaufträge. Auch ist es für mich schwierig geworden, meine Eltern zu besuchen, die im Sommerhalbjahr in einem Wohnwagen in den Stauden leben. Zwar rast jeden Samstag das Staudenbähnle nach Markt Wald und wieder zurück, doch wenn man dieses mal verpasst, sitzt man halt eine ganze Woche irgendwo zwischen Schnerzhofen und Immelstetten fest.
Fazit: Für mich persönlich ist ein Leben ohne Auto durchaus möglich, was allerdings nicht zuletzt meiner Kinderlosigkeit sowie der Lage und der relativ gut aufgestellten Infrastruktur Stadtbergens zu verdanken ist. Man muss in der Tat immer wieder einmal Abstriche in Kauf nehmen, doch man gewinnt auf der anderen Seite auch viele neue Dinge hinzu: eine intensivere Wahrnehmung der Umwelt, ein bisschen mehr Zeit für sich selbst und nicht zuletzt eine gewisse Entschleunigung, die in der heutigen Schnelllebigkeit ganz guttun kann.