Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Bodenständige
Christian Sewing hat die Mammutaufgabe, die Deutsche Bank aus der Krise zu führen. Er stammt aus Westfalen und machte bereits seine Lehre bei dem Institut
Frankfurt am Main Zuletzt standen Männer an der Spitze der Deutschen Bank, die so einiges verkörperten, nur nicht den Bezug zum Heimatland. Das „Deutsche“im Namen „Deutsche Bank“, wenn man so will. Der Schweizer Josef Ackermann trimmte die Bank auf Rendite, den gebürtigen Inder und britischen Staatsbürger Anshu Jain verbindet man heute vor allem mit den Exzessen im Investmentbanking. Und dem knorrigen Engländer John Cryan gelangen zwar wichtige Sanierungsschritte, dann aber gingen ihm die Ideen aus. Nun soll es mit dem neuen Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing jemand richten, dessen Biografie sich anders liest als die der meisten seiner Vorgänger. Beständiger, bodenständiger, heimatverbundener. Vielleicht ist dies ein bewusstes Signal.
Einmal ist da das Beständige: Christian Sewing ist zwar erst 47 Jahre alt. Gleichzeitig ist er nach einer Rechnung des Handelsblatts aber das dienstälteste Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Denn der Westfale machte bereits seine Lehre in einer Filiale der Deutschen Bank – ab 1989 in Bielefeld. Von den 29 Jahren seines Berufslebens arbeitete er 27 Jahre für die Deutsche Bank. Erstmals seit dem früheren Bankchef Rolf Breuer sitzt damit wieder ein Manager auf dem Chefsessel in den Frankfurter Zwillingstürmen, der das Geldhaus von Beginn seiner Laufbahn an kennt.
Dazu kommt das Bodenständige: Die Banklehre in Bielefeld, die Verwurzelung in der Heimat, all dies wird gerade gerne herangezogen, um zu belegen, dass Sewing grundsolide ist. Berichten zufolge sollen seine Kumpels von „Bünder Tennis Club“nahe Bielefeld noch immer in großer Regelmäßigkeit anfragen, ob er das Team bei den Saisonspielen im Frühsommer verstärken kann. Sewing ist zudem bei den Arbeitnehmervertretern beliebt, er soll im Umgang freundlich sein, offen im Gespräch, heißt es, und gerne über Fußball sprechen. Sewing ist Fan des Fußball-Rekordmeisters Bayern München.
Heimatverbundenheit, das zeigt sich ein bisschen auch im Privatleben des neuen Deutsche-BankChefs. Er wohnt mit seiner Familie nicht in einer der großen Metropolen. Der Vater von vier Kindern hält sich bisher nur unter der Woche in Frankfurt auf. Am Wochenende pendelt er zu seiner Familie, die derzeit in Osnabrück wohnt. Das alles wirkt solide – unterschätzen oder für provinziell halten darf man Sewing aber auch nicht.
Im vergangenen März wurde Sewing gemeinsam mit dem nun scheidenden Investmentbanker Marcus Schenck bereits zum stellvertretenden Vorstandschef der Deutschen Bank befördert. Er stand damit gleich hinter John Cryan mit an der Spitze des Instituts. Erfahrungen im Ausland sammelte er unter anderem in Singapur, Toronto, Tokio und London. Gemeinsam mit PostbankChef Frank Strauß verantwortete Sewing zuletzt die Integration der Bonner Tochter in das Privat- und Firmenkundengeschäft des Konzerns. Dabei schreckt Sewing auch nicht vor harten Einschnitten zu- rück. Dass er Lust hat, bei der Deutschen Bank anzupacken, tat Sewing bereits wenige Stunden nach seiner Ernennung zum Vorstandschef kund.
Gleich am Montag erreicht eine Nachricht die Mitarbeiter. Darin schaltet Sewing nach drei Verlustjahren auf Angriff. „Mit Blick auf die Erträge müssen wir unsere Jägermentalität zurückgewinnen, uns in allen Geschäftsbereichen steigern und die Messlatte wieder höher legen“, forderte Sewing in dem Brief an die fast 100 000 Mitarbeiter des größten deutschen Geldhauses. „Unser Start in das Jahr war solide, aber ,solide‘ darf nicht unser Anspruch sein.“
Die Aufstellung der Investmentbank will der bisherige Chef des Privatund Firmenkundengeschäfts genau unter die Lupe nehmen. „Zuletzt konnten wir in wichtigen Bereichen wieder Marktanteile hinzugewinnen. Wir wissen aber auch, dass wir uns hier hinsichtlich unserer Ertrags-, Kosten- und Kapitalstruktur weiter verändern müssen“, erklärte Sewing.
Er kündigte an, der Vorstand werde unter seiner Führung „harte Entscheidungen treffen und umsetzen“. Das Führungsteam werde „nicht mehr akzeptieren“, dass Kosten- und Ertragsziele verfehlt würden. „Die bereinigten Kosten dürfen dieses Jahr 23 Milliarden Euro nicht übersteigen. Das ist nicht verhandelbar“, betonte der 47-Jährige. Die Bank müsse wieder schneller werden: „Wir werden deshalb unsere internen Prozesse daraufhin überprüfen, dass wir Bürokratie oder Doppelarbeiten beseitigen.“
Bei den Anlegern nährte der Chefwechsel die Hoffnung auf eine Trendwende: Am Montagmorgen setzte sich die zuletzt gebeutelte Aktie der Deutschen Bank mit fast vier Prozent Plus an die Spitze im Dax, später gab das Papier aber den Gewinn fast wieder ab.
„Wir müssen unsere Jägermentalität zurückgewinnen.“Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank