Augsburger Allgemeine (Land West)
Lohnsplitting im Familienbetrieb
Nach der Pleite eines Online-Radsporthändlers ermittelten Zoll und Staatsanwaltschaft. Nun kam es zum Prozess
Region Weil sie Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 66000 Euro hinterzogen haben, sind zwei Geschäftsmänner aus dem Raum Augsburg nun zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte den 40- und 71-jährigen Angeklagten vorgeworfen, von Januar 2010 bis April 2016 sogenanntes „Lohnsplitting“betrieben zu haben.
Das heißt konkret: Arbeitnehmer waren bei einem Betrieb eines der Angeklagten angestellt – und bei einem Unternehmen des anderen zugleich als geringfügig Beschäftigte gemeldet, ohne dort tatsächlich einer Tätigkeit nachzugehen. So wurden Löhne „gesplittet“und Sozialabgaben gespart. Mehr als 200 Fälle des Straftatbestandes „Veruntreuen und Vorenthalten von Arbeitsent- gelt“, also Sozialversicherungsbetrug, kamen in der Anklageschrift zusammen, die Staatsanwältin Franziska Deisinger vor dem Amtsgericht verlas. Teils sollen die Angeklagten jeweils selbst als Arbeitgeber für die Fälle verantwortlich gewesen sein, teils leisteten sie dem jeweils anderen Beihilfe.
Der wirtschaftliche Hintergrund der vorangegangenen Ermittlungen war ein Fahrradhandel. Beide Angeklagten, Vater und Sohn, führten in dem Zeitraum zwar unterschiedliche Unternehmen, diese waren jedoch offenkundig eng miteinander verflochten. Ein Familienbetrieb, nur mit mehreren Firmen.
Eine von ihnen hatte 1999 unter anderem der spätere Bürgermeister von Neusäß und heutige Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz mitgegründet. Bis 2008 führte er auch die Geschäfte des Online-Rad- sporthändlers Fabial. Nach seiner damaligen Wahl zum Bürgermeister übergab er die Geschäftsführung an den heute 40-jährigen Mann, der nun auf der Anklagebank saß, und zog sich selbst aus dem Unternehmen zurück. Gänzlich kappte er die Verbindungen allerdings nicht. Er hielt als Gesellschafter weiterhin ein Sechstel der Anteile an der Firma Fabial und ist bis heute Inhaber der hauseigenen Fahrradmarke „Bergziege“, deren Produkte auch über die Homepage des insolventen Unternehmens verkauft wurden. An einem weiteren Unternehmen in der Firmenstruktur hielt er laut Handelsregister weiter 50 Prozent der Anteile. Diese Firma sei mittlerweile liquidiert worden, also aufgelöst, hieß es während der Verhandlung.
2016 war der Online-Radsporthändler insolvent gegangen, daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Dieses richtete sich jedoch nicht gegen den Abgeordneten selbst, dessen Name während des Prozesses auch nicht einmal fiel. Durz hatte gegenüber unserer Zeitung bereits vor Monaten betont, mit dem operativen Geschäft seit 2008 nichts mehr zu tun gehabt zu haben.
In der Verhandlung sagte der von Rechtsanwalt David Herrmann verteidigte 40-jährige Angeklagte, sein damaliger Steuerberater habe das Modell empfohlen, in dem dann Mitarbeiter für mehrere Firmen tätig waren. Den anderen Angeklagten entlastete er. Sein Vater habe sich in wirtschaftlichen Dingen auf ihn verlassen, sagte der 40-Jährige. Auch wenn es aufgrund der Firmenstruktur zwei Angeklagte gebe, habe er als einziger den gesamten Sachverhalt gekannt. Nachdem einige Mitarbeiter als Zeugen aussag- ten und teils weder genau beschreiben konnten, welche Aufgaben sie für welche Firma erledigten, noch, wie viele Stunden sie neben ihrer Vollzeitbeschäftigung im vermeintlichen Nebenjob beschäftigt waren, regte Richter Michael Edelmann ein Rechtsgespräch an.
Ergebnis des Deals: Beide Angeklagten, bislang juristisch völlig unbescholtene Bürger, gestanden vollumfänglich. Sie erhielten Bewährungsstrafen. Der 40-Jährige wurde zu einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, der 71-Jährige zu zehn Monaten. Dessen Verteidigerin, Nicole Lehmbruck, sagte im Plädoyer, es sei keine kriminelle Energie im Spiel gewesen. „Sie gingen davon aus, dass das Modell legal war.“Ähnlich sah es auch Staatsanwältin Deisinger in ihrem Plädoyer: „Sie haben sich blauäugig auf ihren Steuerberater verlassen“, sagte sie.