Augsburger Allgemeine (Land West)
Bei Errdeka geht alles Schlag auf Schlag
Gerade hat der Rapper seine Tour beendet, da steht sein nächstes Konzert in seiner Heimatstadt an. Die vielfach diskutierte Textzeile von Farid Bang und Kollegah findet er geschmacklos. Aber ihn stört, wenn jetzt auf Rap-Musik „herumgetrampelt“wird
Errdeka: Das stimmt. Zwischen meinem Album „Rapunderdog“und dem „Solo“-Album habe ich mir ein bisschen lang Zeit gelassen. Das waren zweieinhalb Jahre. Da bin ich in mich gegangen und habe mich weiterentwickelt. Das hat Zeit in Anspruch genommen. Dann waren gefühlt 80000 neue Rapper am Start, als ich mich zurückgemeldet habe. Jetzt will ich schneller nachlegen.
Wann erscheint dann das nächste Mixtape?
Errdeka: Das soll im Sommer erscheinen. Zwölf Tracks sind schon fertig. Aber es geht nicht mehr um neues Album oder neues Mixtape. Es geht eigentlich nur noch um Songs. Das Konsumverhalten von Musik hat sich total verändert.
Wie meinen Sie das?
Errdeka: Früher bin ich auch noch in den Laden gegangen und habe mir ein neues Album gekauft, das auf den Markt kam. Dann habe ich es mir zu Hause komplett angehört. Das macht heute niemand mehr. Heute nutzen die Leute Streamingdienste wie Spotify oder Apple Music und speichern sich dann die Songs auf ihrer Playlist ab, die ihnen besonders gefallen. Für einen Künstler bedeutet das, dass er eigentlich kontinuierlich Output leisten muss, um am Start zu sein.
Wer immer dasselbe abliefert, der ist schnell. Das wollen Sie nicht. Oder?
Errdeka: Nein. „Rapunderdog“war ein typisches Hip-Hop-Album. Das kann man immer schnell mal machen. Es kommt aber darauf an, was man für ein Künstler ist. Das Einfachste wäre es doch, immer dasselbe zu machen. Das ist aber nicht mein Anspruch. Für das Solo-Album habe ich beispielsweise einen Song mit dem Sänger Oliver Gottwald aufgenommen. Da prallen zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Doch es ist ein guter Song rausgekommen, der von dem Album am zweithäufigsten abgerufen wird.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Errdeka: Natürlich kenne ich Oliver Gottwald noch aus seiner Zeit als er bei Anajo war. Aber mit der Band habe ich mich damals nicht so intensiv beschäftigt. Doch dann habe ich das Video „Halluzinationen“von den Augsburger Kegelbahnkonzerten gesehen und fand ihn total cool mit seiner Kippe in der Hand und habe ihn gefragt, ob wir was zusammen machen wollen. Es gibt in Augsburg viele Leute, die etwas können, da sollte man sich auch gegenseitig unterstützen. Errdeka: Wir waren in Stuttgart im Studio und Oli hat erst einmal so gesungen wie immer. Ich habe ihm ge- sagt, dass er der Schmutz auf dem Song ist und auch so singen muss. Das Ergebnis finde ich voll cool. Grundsätzlich habe ich keine Angst vor Pop und höre mir auch selber Popsongs an, wenn sie gut gemacht sind. Derzeit dominiert Rap-Musik, aber gerade in den Charts steckt in den Rap-Songs doch auch viel Pop drin. Dennoch ist es eine schöne Entwicklung: Hip-Hop-Musik ist gerade voll am Start.
Und wird auch heiß diskutiert: Die Echo-Verleihung an Kollegah und Farid Bang hat Proteste ausgelöst. Ihnen wird Antisemitismus vorgeworfen. Der Rapper Spongebozz, der selber Jude ist, findet die viel diskutierte Textzeile zwar geschmacklos, aber nicht antisemitisch. Wie sehen Sie das?
Errdeka: Ich finde die Zeile auch geschmacklos, aber ich weiß wie die beiden ticken. Die machen das doch aus Kalkül. Sie überschreiten Grenzen, um für Aufsehen zu sorgen. Sie provozieren, um damit Geld zu machen. Das klappt gut. Im Grunde geht es beim Rap doch immer um Provokation. Das ist nicht neu, die Proteste nach einer Preisverleihung auch nicht. Als Bushido den Bambi für Integration erhalten hat, gab es auch viel Kritik. Mich stört, wenn dann insgesamt auf der Rap-Musik herumgetrampelt wird.
Natürlich wird beim Rap provoziert; Farid Bang etwa steht schon wieder in den Schlagzeilen. Diesmal hat er in einem Song-Ausschnitt Alice Weidel, die Co-Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion als „Nazi-Bitch“bezeichnet. Gibt es für Rapper irgendwo Grenzen?
Errdeka: Es gibt kein Regelwerk, das pauschal eingrenzen kann, inwieweit ein Künstler provozieren darf. Falls es so etwas geben sollte, müsste es auch bei Buchautoren, Filmemachern, Karikaturisten etc. eingesetzt werden. Es obliegt ganz alleine dem, der die Provokation, in welcher Form auch immer, ausdrückt und welche Konsequenzen er bereit ist, dafür zu tragen.
In Ihren Songs finden Sie auch deutliche Worte, nutzen dafür aber andere Themen. In welchen Bereichen wollen Sie provozieren?
Errdeka: In meiner Musik geht es oftmals darum, Leute zum Denken anzuregen. Ich drücke das aus, was viele vielleicht aussprechen möchten, aber es nicht in Worte verpacken können. Kommt natürlich auch immer auf die Thematik an.
Sie haben in der Augsburger Kantine das letzte Konzert ihrer Tournee gespielt. Wie war Ihre vierte Tour?
Errdeka: Das war meine größte Tour bislang: Wir waren sechs Wochen unterwegs und haben 20 Konzerte gegeben. Errdeka: Das stimmt. Ich trete dieses Jahr zweimal auf. Einmal zusammen mit Oliver Gottwald auf der Verleihung des Poppreises Roy. Am Freitag trete ich vor Trettmann auf. Da wird Oli sicherlich auch auf die Bühne kommen. Modular ist ein wichtiges Festival für Augsburg. Das Festivalgelände im Wittelsbacher Park macht den Charme aus.
Was sind hier Ihre Lieblingsplätze?
Errdeka: Ich bin total gerne im CityClub und im dazugehörigen Café. Das Hallo Werner ist auch ein Lieblingsspot von mir. Ich mag an Augsburg, dass man überall schnell ist.
In welche Richtung werden Sie sich nun auf Ihrem neuen Mixtape weiterentwickeln?
Errdeka: Das Tape wird von dem Augsburger Elektro-DJ Daniel Bortz produziert, der auch immer mal wieder etwas im Bereich HipHop macht. Das werden ganz neue Beats sein.
Der Augsburger Rapper Errdeka heißt Raphael Endraß und ist 27 Jahre alt. Seinen Job als Grafikdesigner hängte der gelernte Mediengestal ter vor fünf Jahren an den Nagel, um sich ganz der Musik zu widmen.