Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Pendeltheorie besagt: Auf ein Tief folgt ein Hoch!
Das Leben ist ein Auf und Ab. Ich erinnere mich noch gut an eine Deutschstunde mit unserem geschätzten Deutschlehrer Herr Halbleib an der Berufsaufbauschule (BAS) im Jahre 1970. Herr Halbleib war politisch sehr interessiert und ermutigte uns Schüler, seine Deutschstunden auch für ausgiebige politische Diskussionen zu nutzen.
Und 1970 war bekanntlich eine „heiße Zeit“. So erinnere ich mich auch noch gut an Herrn Halbleibs „Pendel-Theorie“. Diese war sein politisches Credo, mit der er ganze Zeitläufe erklärte. Die Theorie besagte, wenn das politische Pendel zu weit nach „links“ausschlägt, dann geht es alsbald wieder in die entgegengesetzte Richtung, also nach „rechts“.
Herr Halbleib ist leider vor einigen Jahren gestorben, aber er würde sich heute wohl durch die politische Lage bestärkt sehen. Das Pendel schwingt manchmal ziemlich schnell hin und her.
Die „Pendel-Theorie“fiel mir vor einiger Zeit jetzt wieder ein, als ich auf der Straße ein altes Toyota-Sportmodell sah, tiefergelegt, also sehr tief gelegt. Der Kopf des Fahrers befand sich nur etwa 50 Zentimeter über dem Niveau der Straße. In diesem Augenblick musste ich an die 1970er Jahre denken. Damals war ein tiefergelegtes Auto der Traum aller jungen Autofahrer.
Und nun, fast 50 Jahre später, sieht man diese auf dem Boden klebenden Fahrzeuge nur noch äußerst selten. Da schlug das Pendel von tiefer nach höher. Denn heute dominieren die aufgebockten Wagen, zu Neudeutsch die SUV, das Straßenbild – das sind Geländewagen für den Stadtverkehr. Wer mit seinem tiefergelegten Sportschlitten hinter einem SUV fährt, sieht nichts mehr vorne. In den SUV sitzt der Fahrer ja fast so hoch wie in einem Lastwagen.
Es gibt kaum noch einen Autohersteller, der keine SUV im Programm hat, so beliebt sind die Autos. Der Zulassungsanteil ist ja fast auf 30 Prozent gestiegen und Autoexperten prophezeien, dass die Zuwachsraten dieser Autobullen weiter sehr hoch bleiben. Da stellt sich schon die Frage, woher der Drang kommt, ganz oben sitzen zu wollen? Vielleicht aus der Sympathie für das Militärische?
Bei den SUV-Flotten am Morgen vor den Kitas und mittags vor den Schulen sitzen aber ziemlich viele Frauen am Steuer – also vielleicht doch keine militärischen Gründe.
Ältere SUV-Piloten führen an, dass der Einstieg bequemer sei. In der Tat, der Einstieg in das eingangs erwähnte tiefer gelegte ToyotaModell wäre für 85-jährige Autofahrer nur mit Hinzunahme eines Physiotherapeuten möglich.
Jetzt dann doch lieber zurück zur „Pendel-Theorie“. Die könnte man auch bei der Rocklänge anwenden oder bei unserem Essverhalten. Nachdem vor zehn Jahren die Veganerlokale reüssierten, schießen im Moment Burger-Bräter wie Pilze aus dem Boden. Und kurz vor der Badesaison lautet die Frage: Werden nach den Jahren der langen amerikanischen Herrenbadehosen vielleicht jetzt wieder die kurzen deutschen Badehöschen fröhliche Urständ feiern?
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