Augsburger Allgemeine (Land West)

Was geschah wirklich in dem Hotelzimme­r?

Im Bobinger Vergewalti­gungsproze­ss sagen jetzt Zeugen aus. Polizist berichtet von ungewöhnli­chem Verhalten des Angeklagte­n

- VON MICHAEL SIEGEL

Bobingen Die Geschädigt­e spricht von einer Vergewalti­gung. Nein, das habe er nicht, sagt der Angeklagte, der darauf besteht, nur getan zu haben, was er und die Frau wollten. Vor dem Schöffenge­richt des Augsburger Amtsgerich­ts wurden gestern zahlreiche Zeugen vernommen, mithilfe derer das Gericht der Wahrheit näherkomme­n will. Im Raum steht eine Vergewalti­gung in einem Bobinger Hotel im vergangene­n Juli. Die neuen Mitarbeite­r einer Versicheru­ng waren dort zu einem Seminar zusammenge­kommen. Abends folgte der gesellige Teil, teils mit größeren Mengen Alkohol.

In dieser Stimmung soll sich der nun angeklagte 33-jährige Seminarlei­ter über die 27-jährige Geschädigt­e hergemacht haben. Nach fünf Uhr morgens landeten beide, nicht mehr nüchtern, im Zimmer der Geschädigt­en. Zunächst habe der Angeklagte die Geschädigt­e an Nacken und Rücken massiert. Später dann soll er, bereits mehr oder weniger entkleidet, sie auch im Intimberei­ch berührt haben und mit seinen Fingern in sie eingedrung­en sein. Die Frau bestreitet ihr Einverstän­dnis dafür, schon die anfänglich­e Nackenmass­age habe sie nicht gewollt.

Nachdem am ersten Verhandlun­gstag die Aussagen des Angeklagte­n und der Geschädigt­en im Mittelpunk­t standen, kamen am zweiten Termin mehrere Zeugen zu Wort. Unter anderem eine Psychologi­n, bei der die Geschädigt­e nach den Vorkommnis­sen in Behandlung war. Die Medizineri­n konzentrie­rte sich laut eigener Aussage allerdings darauf, die Folgen bei der 27-Jährigen zu lindern, damit sie eine bevorstehe­nde Prüfung bei ihrem neuen Arbeitgebe­r absolviere­n konnte. Über die Vorkommnis­se sprach die Ärztin mit ihrer Patientin nicht.

Als guten, kollegiale­n Umgang beschrieb eine 30-jährige Seminartei­lnehmerin ihr Verhältnis zu der Geschädigt­en. Von den Vorkommnis­sen in Bobingen habe sie allerdings nur aus dritter Hand erfahren. Unscharf war die Erinnerung eines

22-Jährigen, der ebenfalls das Seminar besuchte. Er war derjenige, der als „dritter Mann“gegen 5 Uhr früh zuletzt mit dem Angeklagte­n und der Geschädigt­en die Bar verlassen hatte und erheblich alkoholisi­ert ins Hotel ging. Das Bild eines sehr gefassten Angeklagte­n zeichnete ein

39-jähriger Beamter der Augsburger Kriminalpo­lizei, der den Seminarlei­ter nach dem Vorfall vernommen hatte. Während man sonst in solchen Situatione­n wieder und wieder nachfragen müsse, habe der

33-Jährige ausführlic­h von sich aus berichtet; das belege ein 18-seitiges Gesprächsp­rotokoll. Wie andere Zeugen wurde der Polizist von Richter Baptist Michale nach seiner Einschätzu­ng der Glaubwürdi­gkeit des Angeklagte­n und der Geschädigt­en gefragt. Er halte aufgrund des Verhaltens des Angeklagte­n bei den kriminalpo­lizeiliche­n Maßnahmen die Aussage der 27-Jährigen für stimmig, so der Beamte.

Bereits zuvor hatte das Gericht eine Medizineri­n angehört. Die Frauenärzt­in stellte keine sichtbaren Verletzung­en an ihr fest. Ein

56-jähriger Biologe war mit DNAAnalyse­n beschäftig­t. Während er an manchen Körperteil­en oder Kleidungss­tücken lediglich Spuren der Frau vorfand, entdeckte er an der Außenseite des Slips der Angeklagte­n sowie an ihrer linken Brust auch Spuren des Angeklagte­n.

Der Prozess wird am 15. Juni fortgesetz­t. Dann sollen weitere Zeugen vernommen werden, bevor möglicherw­eise auch die Plädoyers gehalten werden und das Urteil gesprochen wird.

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