Augsburger Allgemeine (Land West)
Was geschah wirklich in dem Hotelzimmer?
Im Bobinger Vergewaltigungsprozess sagen jetzt Zeugen aus. Polizist berichtet von ungewöhnlichem Verhalten des Angeklagten
Bobingen Die Geschädigte spricht von einer Vergewaltigung. Nein, das habe er nicht, sagt der Angeklagte, der darauf besteht, nur getan zu haben, was er und die Frau wollten. Vor dem Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts wurden gestern zahlreiche Zeugen vernommen, mithilfe derer das Gericht der Wahrheit näherkommen will. Im Raum steht eine Vergewaltigung in einem Bobinger Hotel im vergangenen Juli. Die neuen Mitarbeiter einer Versicherung waren dort zu einem Seminar zusammengekommen. Abends folgte der gesellige Teil, teils mit größeren Mengen Alkohol.
In dieser Stimmung soll sich der nun angeklagte 33-jährige Seminarleiter über die 27-jährige Geschädigte hergemacht haben. Nach fünf Uhr morgens landeten beide, nicht mehr nüchtern, im Zimmer der Geschädigten. Zunächst habe der Angeklagte die Geschädigte an Nacken und Rücken massiert. Später dann soll er, bereits mehr oder weniger entkleidet, sie auch im Intimbereich berührt haben und mit seinen Fingern in sie eingedrungen sein. Die Frau bestreitet ihr Einverständnis dafür, schon die anfängliche Nackenmassage habe sie nicht gewollt.
Nachdem am ersten Verhandlungstag die Aussagen des Angeklagten und der Geschädigten im Mittelpunkt standen, kamen am zweiten Termin mehrere Zeugen zu Wort. Unter anderem eine Psychologin, bei der die Geschädigte nach den Vorkommnissen in Behandlung war. Die Medizinerin konzentrierte sich laut eigener Aussage allerdings darauf, die Folgen bei der 27-Jährigen zu lindern, damit sie eine bevorstehende Prüfung bei ihrem neuen Arbeitgeber absolvieren konnte. Über die Vorkommnisse sprach die Ärztin mit ihrer Patientin nicht.
Als guten, kollegialen Umgang beschrieb eine 30-jährige Seminarteilnehmerin ihr Verhältnis zu der Geschädigten. Von den Vorkommnissen in Bobingen habe sie allerdings nur aus dritter Hand erfahren. Unscharf war die Erinnerung eines
22-Jährigen, der ebenfalls das Seminar besuchte. Er war derjenige, der als „dritter Mann“gegen 5 Uhr früh zuletzt mit dem Angeklagten und der Geschädigten die Bar verlassen hatte und erheblich alkoholisiert ins Hotel ging. Das Bild eines sehr gefassten Angeklagten zeichnete ein
39-jähriger Beamter der Augsburger Kriminalpolizei, der den Seminarleiter nach dem Vorfall vernommen hatte. Während man sonst in solchen Situationen wieder und wieder nachfragen müsse, habe der
33-Jährige ausführlich von sich aus berichtet; das belege ein 18-seitiges Gesprächsprotokoll. Wie andere Zeugen wurde der Polizist von Richter Baptist Michale nach seiner Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Angeklagten und der Geschädigten gefragt. Er halte aufgrund des Verhaltens des Angeklagten bei den kriminalpolizeilichen Maßnahmen die Aussage der 27-Jährigen für stimmig, so der Beamte.
Bereits zuvor hatte das Gericht eine Medizinerin angehört. Die Frauenärztin stellte keine sichtbaren Verletzungen an ihr fest. Ein
56-jähriger Biologe war mit DNAAnalysen beschäftigt. Während er an manchen Körperteilen oder Kleidungsstücken lediglich Spuren der Frau vorfand, entdeckte er an der Außenseite des Slips der Angeklagten sowie an ihrer linken Brust auch Spuren des Angeklagten.
Der Prozess wird am 15. Juni fortgesetzt. Dann sollen weitere Zeugen vernommen werden, bevor möglicherweise auch die Plädoyers gehalten werden und das Urteil gesprochen wird.