Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn die Kita die Familienkasse zu sehr belastet
Ob Gebühr oder Qualität: In den Kitas in Deutschland geht es ungleich zu. Eltern zahlen zwischen 30 und 390 Euro im Monat. Eine Umfrage zeigt, dass für mehr Chancengleichheit ab dem Kleinkindalter noch viel zu tun ist
Gütersloh Die ersten Lebensjahre gelten als prägend – und Kitas spielen als Bildungsorte bei der Entwicklung der Kleinsten eine große Rolle. Aber: Qualität, Personalschlüssel und Ausstattung fallen überall anders aus. Ungleichheit herrsche auch bei den Gebühren, bilanziert die Studie „ElternZoom
2018“der Bertelsmann-Stiftung. Was Mütter und Väter für die Betreuung zahlen, hängt stark davon ab, wo sie wohnen. Weiteres Ergebnis: Wer wenig Geld hat, armutsgefährdet ist, zahlt im Verhältnis zu seinem Einkommen besonders viel – jeder zehnte Euro aus der Familienkasse geht dann an die Kita. Die Ergebnisse beruhen laut Stiftung auf zwei Befragungen von insgesamt
10 490 Eltern.
Wie viel kostet die Betreuung?
Eltern geben für die Kita-Betreuung im Bundesschnitt 173 Euro aus. Dieser Mittelwert klingt recht unspektakulär. Aber: Die Beiträge schwanken laut Erhebung bei 90 Prozent der Eltern zwischen 30 und
390 Euro monatlich. Plus Zusatzkosten für Verpflegung. In Schleswig-Holstein zahlen Familien im Ländervergleich am meisten, in Berlin am wenigsten. Innerhalb der Länder können die Gebühren auf kommunaler Ebene noch einmal sehr unterschiedlich ausfallen. In Bayern zahlen die Eltern zwischen
0,8 und 14,5 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Betreuung eines Kindes in der Kita. Im Schnitt sind es 6,1 Prozent. Da sind dann auch die Ausgaben für Mahlzeiten, Hygieneartikel, Ausflüge und Bastelmaterial mit enthalten.
Ist das fair?
Wenn Eltern unterschiedliche Beiträge je nach Wohnort zahlen müssen, sei das ein Beleg dafür, „dass der Staat von der Erfüllung seines Auftrags, für gleiche Bildungschancen zu sorgen, weit entfernt ist“, kritisiert der Vorsitzende des Bildungsverbands VBE, Udo Beckmann. Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AGF) fordert, dass Familien nur gemäß ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit an den Kita-Kosten beteiligt werden.
Woher kommen die Schwankungen?
Das liegt auch an der unterschiedlichen Gewichtung der Länder. Manche wollen möglichst schnell eine finanzielle Entlastung der Eltern oder haben diese teilweise oder schon weitgehend realisiert. Andere nennen Qualitätsverbesserungen als oberste Priorität. Der VBE verlangt: Der frühkindliche Bereich müsse wie die Schule beitragsfrei sein. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betont, eine zentrale Säule des geplanten „Gute-Kita-Gesetzes“– das das Bundeskabinett vor der Sommerpause beschließen soll – sei „der Einstieg in die Beitragsfreiheit“.
Könnte ein Finanz-Kraftakt eine Gratis-Kita für alle bringen?
Man bräuchte dafür 7,3 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt die Bertelsmann-Stiftung. Plus 8 Milliarden Euro für mehr Qualität. Die GroKo legt im Koalitionsvertrag fest, dass der Bund Länder und Kommunen auch bei „der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit“unterstützt. Ministerin Giffey verweist auf 3,5 Milliarden Euro, die die Länder 2019 bis 2021 erhalten sollen, und auf eine Fachkräfte-Offensive für mehr Erzieherinnen.
Gibt es Eltern, die wegen der Gebühr ganz auf eine Kita verzichten?
Infratest-dimap hatte auch 1036 Eltern gefragt, warum sie ihren Nachwuchs bis sieben Jahre nicht in eine Kita schicken. 20 Prozent begründeten das mit zu hohen Kosten. Udo Beckmann von VBE mahnt: „Wenn wir bereits die Kleinsten verlieren, hat das verheerende Auswirkungen auf deren Bildungsbiografie und damit auch auf die Zukunft der Gesellschaft.“
Was sagen Mütter und Väter?
Schon Untersuchungen zuvor haben ergeben, dass viele Eltern zusätzliche Kita-Plätze, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Erzieherinnen für nötig halten. Laut Bertelsmann-Studie wäre eine Mehrheit bereit, für mehr Qualität auch mehr zu zahlen.