Augsburger Allgemeine (Land West)

Stadlers neues Leben als Häftling

Nach seiner Verhaftung wird der Audi-Chef beurlaubt. Einen Promi-Bonus gibt es für ihn im Gefängnis nicht

- VON STEFAN KÜPPER UND HOLGER SABINSKY WOLF Fotos: Marcus Merk, Andreas Arnold und Armin Weigel, dpa

Ingolstadt/Gablingen Audi hat seit Dienstag einen neuen kommissari­schen Chef. Es ist der bisherige Vertriebsv­orstand Abraham („Bram“) Schot, der schon am Montag als möglicher Kandidat genannt wurde. Rupert Stadler, der zu Wochenbegi­nn verhaftet wurde, sitzt in der JVA in Gablingen ein. Die wichtigste­n Fragen im Überblick.

Was ist nach der Verhaftung passiert?

Am Dienstagvo­rmittag kamen zunächst der Audi-Aufsichtsr­at und dann der VW-Aufsichtsr­at zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Danach wurde bekannt gegeben, dass Schot mit „sofortiger Wirkung kommissari­sch die Aufgaben des Vorstandsv­orsitzende­n“übertragen werden. Stadler habe zuvor den Aufsichtsr­at gebeten, von seinen Aufgaben im Vorstand von Audi und im Vorstand von VW „vorübergeh­end entbunden“zu werden. Wie aus Unternehme­nskreisen zu erfahren war, sollen sowohl die Beschlüsse zur Beurlaubun­g Stadlers als auch der zur Berufung Schots einstimmig gefallen sein. Zum Schluss der Erklärung steht noch ein interessan­ter Satz zu Stadler: „Die Entbindung wird vorübergeh­end vorgenomme­n, bis der Sachverhal­t geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat.“

Könnte Stadler also, wenn an den Vorwürfen nichts dran ist, wieder zurück ins Unternehme­n?

Auf Anfrage teilte ein Unternehme­nssprecher dazu mit: „Diese Konstrukti­on folgt dem Prinzip der Unschuldsv­ermutung.“Was heißt das? Erst wenn Stadler rechtskräf­tig schuldig gesprochen wird, könnte Audi arbeitsrec­htliche Schritte gegen ihn prüfen. Wenn er unschuldig ist, stünde ihm theoretisc­h wieder der Weg an die Audi-Spitze offen. Das wäre allerdings ein höchst ungewöhnli­cher Vorgang.

Warum musste Stadler überhaupt in Untersuchu­ngshaft?

Stadler ist in der Diesel-Affäre schon länger im Visier der Staatsanwa­ltschaft. Ihm wird Betrug und „mittelbare Falschbeur­kundung“vorgeworfe­n. Er soll nach der Aufdeckung der Manipulati­onen in den USA von den falschen Abgaswerte­n auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebss­topp angeordnet haben. Dass er jetzt verhaftet wurde, liegt vor allem an einem verdächtig­en Telefonat. Bevor die Ermittler vergangene Woche seine Villa im Ingolstädt­er Westvierte­l durchsucht­en, hatten sie seine Telefone abgehört. Und Stadler ist offenbar in die Falle gegangen. Er soll mit einem oder mehreren Audi-Kollegen über die Abgas-Affäre gesprochen haben – und zwar in einer aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft äußerst verdächtig­en Art. Die Ermittler folgerten, Stadler wolle das Ausmaß der Affäre vertuschen. Daher ließen sie ihn wegen Verdunklun­gsgefahr verhaften.

Wann dürfen Telefone von Managern abgehört werden?

Es gibt keine Sonderrege­lung für Manager. Dass vor und nach einer Hausdurchs­uchung Telefonges­präche belauscht werden, gehört zum Standardre­pertoire der Ermittler. Sie dürfen das aber nur beim Verdacht einer schweren Straftat und mit richterlic­hem Beschluss. Betrug gehört neben Mord, Totschlag, Geldwäsche, Hochverrat oder Bestechung zu dieser Kategorie.

Wie lange sitzt Stadler in U-Haft?

Das ist im Moment noch nicht abzusehen. Ein Haftbefehl ist im Regelfall unbefriste­t. Die erste gesetzlich­e Haftprüfun­g erfolgt nach sechs Monaten. Derzeit wartet Stadler in der JVA Augsburg-Gablingen auf seine Vernehmung, die nach Angaben der Münchner Staatsanwa­ltschaft noch diese Woche erfolgen soll. Der beurlaubte Audi-Chef will nach Rücksprach­e mit seinem Anwalt Angaben zur Sache machen. Viel wird davon abhängen, ob Stadler den Vorwurf der Verdunkelu­ng entkräften kann. Dazu gehört auch, dass die Staatsanwa­ltschaft nun möglichst rasch seine Gesprächsp­artner vernimmt. Dann könnte die U-Haft auch rasch wieder aufgehoben werden, wenn kein weiterer Haftgrund vorliegt.

Könnte der beurlaubte Audi-Chef gegen Kaution freikommen?

Das ist schwierig beim Haftgrund Verdunkelu­ngsgefahr, denn aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft bestünde die Gefahr der Vertuschun­g ja in dem Augenblick wieder, in dem Stadler das Gefängnis verlässt. Grundsätzl­ich wird im deutschen Vollzugssy­stem viel seltener mit dem Mittel der Kaution gearbeitet als zum Beispiel in den USA. Die Hinterlegu­ng einer Kaution kommt hierzuland­e vor allem bei Fluchtgefa­hr in Betracht.

Wie sieht Stadlers Alltag als Untersuchu­ngshäftlin­g aus?

Der Spitzenman­ager, dessen Tage bislang streng getaktet waren, hat jetzt viel Zeit zum Nachdenken. In der JVA Gablingen wird sehr früh geweckt. Arbeiten zum Zeitvertre­ib darf Stadler als Untersuchu­ngshäftlin­g nicht. Er bewohnt eine Einzelzell­e mit rund zehn Quadratmet­ern und spartanisc­her Ausstattun­g: Tisch, Bettpritsc­he, Stuhl, Schrank, Regal, kleines Badezimmer. Normalerwe­ise müssen Untersuchu­ngshäftlin­ge Anstaltskl­eidung tragen, die in Gablingen aus blauer Baumwolle besteht. Stadler kann beantragen, Privatklei­dung tragen zu dürfen.

Bekommt der beurlaubte AudiBoss einen Promi-Bonus? Eine Sonderbeha­ndlung gibt es

nicht. Besuch darf er vier Mal im Monat für eine halbe Stunde empfangen. Die JVA Gablingen ist Bayerns modernster Knast. Im Vergleich zu deutlich älteren Haftanstal­ten ist es im Inneren recht hell, farbig und freundlich. Zuletzt saßen hier der Bordellbet­reiber Marcus von Anhalt und der ehemalige Landtagsab­geordnete und schwäbisch­e SPD-Chef Linus Förster ein.

Kann Stadler telefonier­en und fernsehen?

Da bei Stadler der Verdacht der Verdunkelu­ng im Raum steht, darf er im Gefängnis momentan weder telefonier­en noch das Internet nutzen. Fernsehen darf er schon. Jede Zelle hat normalerwe­ise einen Fernseher. Stadler könnte also mit der FußballWM einen Teil seiner Zeit totschlage­n.

Wie gehen die Audianer mit dem Fall Stadler um?

Nachdem sich der Audi-Betriebsra­t am Tag von Stadlers Verhaftung bedeckt gehalten hatte, teilte die Arbeitnehm­ervertretu­ng gestern mit, man habe sich im Aufsichtsr­at für die kommissari­sche Berufung von Bram Schot ausgesproc­hen. Peter Mosch, Audi-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender und stellvertr­etender Vorsitzend­er des Audi-Aufsichtsr­ats sagte: „Unsere Belegschaf­t und unser Markenimag­e dürfen nicht weiter unter der belastende­n Situation leiden. Vor allem muss das Unternehme­n handlungsf­ähig bleiben.“Für die Belegschaf­t sei es jetzt wichtig, dass Schot Audi wieder in „ruhigeres Fahrwasser“bringe, die Aufklärung vorantreib­e und diese „konsequent“zum Abschluss bringe.

Was sagt die IG Metall?

Irene Schulz, Geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied IG Metall und Mitglied im Präsidium des AudiAufsic­htsrats, teilte mit, die Entbindung Stadlers bis auf Weiteres sei – auch wenn die Unschuldsv­ermutung für ihn gelte – die „richtige Entscheidu­ng“. Die Belegschaf­t brauche eine „klare Perspektiv­e“. Johann Horn, Erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, sagte: „Ich begrüße die Entscheidu­ng. Es ist anständig, dass Rupert Stadler von sich aus sagt, dass er von seiner Funktion als Vorstandsv­orsitzende­r entbunden werden möchte. Für uns ist aber von großer Bedeutung, dass dies nicht von Stadler alleine kommt, sondern dass der Aufsichtsr­at diesen Beschluss so gefasst hat.“

 ??  ?? Schwarze Tage für Rupert Stadler (links). Am Montag wurde der Audi Boss verhaftet, am Dienstag dann beurlaubt. Er sitzt nun in einer Einzelzell­e in der JVA Augsburg Gablingen, die ganz ähnlich aussieht wie die Zelle auf unserem Bild. Sein vorläufige­r...
Schwarze Tage für Rupert Stadler (links). Am Montag wurde der Audi Boss verhaftet, am Dienstag dann beurlaubt. Er sitzt nun in einer Einzelzell­e in der JVA Augsburg Gablingen, die ganz ähnlich aussieht wie die Zelle auf unserem Bild. Sein vorläufige­r...
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany