Augsburger Allgemeine (Land West)
Rückendeckung für Löw
Es mehren sich die Stimmen, die sich für einen Verbleib des Bundestrainers im Amt aussprechen. Welches Gewicht sie haben, wird man im Verlaufe dieser Woche sehen
Augsburg Wenn Joachim Löw jemanden benötigt, der ihm nicht nur im übertragenen Sinn den Rücken freihält, dann ist Björn Borgmann zur Stelle. Der 46-jährige Westfale ist immer in der Nähe, wenn sich einzelne Spieler oder der Bundestrainer in einen Fan- und Medienpulk hineinbewegen. Wer den Personenschützer des DFB mit dem breiten Kreuz und den mächtigen Oberarmen kennt, der weiß, dass es dumm wäre, sich mit ihm anzulegen. Als sich bei der WM
2006 der argentinische Frust über die Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland in Schlägen und Tritten entlud, warf sich Borgmann schützend ins Getümmel.
Der Mann mit dem Hipster-Bart ist von bayerischen SEK-Beamten ausgebildet und gibt sein Wissen inzwischen als Nahkampfinstruktor weiter. Nach 18 Jahren in DFBDiensten ist er mit Spielern und Trainern eng verbunden. Und natürlich würde er Joachim Löw in diesen Tagen, in denen dessen berufliche Zukunft so offen ist wie das deutsche Tor beim zweiten Treffer der Südkoreaner, auch verbal zur Seite springen. Dafür aber ist er nicht zuständig.
Es ist auch nicht nötig. Denn geht es nach den jüngsten Reaktionen derer, die nach dem ersten deutschen Vorrunden-K.-o. bei einer Weltmeisterschaft direkt oder indirekt auf Joachim Löws Verbleib im Amt des Bundestrainers etwas zu sagen haben, ist die Sache klar: Der
58-Jährige muss bleiben. Ähnlich hat es der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der den Vertrag mit Joachim Löw kurz vor der WM bis 2022 verlängert hat, gleich nach dem WMDesaster in Russland geäußert.
Alle Vorstandsmitglieder hatten sich in einer Telefonkonferenz dafür ausgesprochen, dass Löw seinen Vertrag erfüllen solle. „Im gesamten Präsidium hat Einigkeit darüber be- dass sich an der Situation nichts geändert hat im Vergleich zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung“, bekräftigte Vize-Präsident Rainer Koch.
Am Wochenende äußerten sich nun weitere Fürsprecher. Jérôme Boateng möchte, dass Löw „auf jeden Fall“Bundestrainer bleibt. Löw habe dem Team „klare Worte und Anweisungen mitgegeben, die wir nicht umgesetzt bekommen haben“, versicherte Boateng, der für sich selbst einen Rücktritt aus der Nationalelf ausschloss, gegenüber der Welt am Sonntag.
Beim Neuanfang nach der Sommerpause wolle er „mit den anderen wieder ein anderes Gesicht zeigen. Ich will mit ihnen wieder das Deutschland repräsentieren, das wir kennen. Ein starkes Deutschland, eine starke Nationalelf.“Das würde auch dem neuen VW-Chef Herbert Diess gefallen. Anfang 2019 löst Volkswagen den derzeitigen Premium-Partner Mercedes als Gene- ralsponsor des DFB ab. Zweifel am richtigen Zeitpunkt des Einstiegs hat Diess keine. „Dieses Engagement ist genau richtig, weil wir an den langfristigen Erfolg der Mannschaft glauben“, sagte der 59-Jährige der Bild am Sonntag. „Die Mannschaft wird wieder hochkommen, davon bin ich überzeugt“, prophezeit der VW-Vorstandschef. Das Team habe viel Substanz und mit Joachim Löw einen Trainer mit einer beeindruckenden Leistungsbilanz. Letzteres solle demnach so bleiben. Ob der Zuspruch in die Entscheidungsfindung des Bundesstanden, trainers einfließt, weiß niemand. Jetzt sind die Tage der Analyse, in denen er mit Team-Manager Oliver Bierhoff und Teilen seines Trainerstabes die Bilanz des Desasters zieht. Nach Lage der Dinge hat Löw sein berufliches Schicksal selbst in der Hand.
Im Laufe dieser Woche, so heißt es, will er sich dazu äußern. Die Zeit drängt. Bereits am 6. September trifft Deutschland im neu geschaffenen Nations Cup, der zukünftig Freundschaftsspiele ersetzt, auf Frankreich. Aber der Bundestrainer hat sich noch nie drängen lassen. Das weiß keiner besser als der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger, der Löw vor der WM
2010 in Südafrika noch rasch einen neuen Vertrag aufdrängen wollte, der dem Bundestrainer überhaupt nicht gefallen hat. Frei nach dem Motto: Lieber kein Vertrag als ein schlechter, hat der Umworbene den DFB damals zappeln lassen. Also flaniert der 58-Jährige zurzeit cool und lässig in seinem 60er-JahreMercedes-Cabriolet bei geöffnetem Dach durch Freiburg. Den Kopf durchblasen lassen.
Vielleich hilft Joachim Löw in diesen Tagen der Rat eines erfahrenen und beinahe genauso alten Trainerkollegen weiter. Thomas Schaaf, drei Jahrzehnte lang Spieler und Trainer bei Werder Bremen, inzwischen Technischer Direktor des Klubs, hofft im WeserKurier auf Löws Standfestigkeit. Schaaf: „Wenn er weiterhin Spaß und Lust hat, den Weg zu gehen, und glaubt, erneut etwas bewegen zu können, würde ich ihm empfehlen weiterzumachen“. Genau das ist die Frage, die Joachim Löw für sich beantworten muss.