Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Dilemma der Grünen ist ihr Referent
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bart. Der Ton im Bündnis wird jedoch rauer. SPD-Fraktionschefin Margarete Heinrich meint: „Wenn immer gleich mit dem Ausstieg aus dem Bündnis gedroht wird, empfinde ich das schon als eine Art Erpressung.“Letztlich gehe es im Bündnis doch darum, inhaltlich um Positionen in einzelnen Themenbereichen zu ringen. Irritiert sei sie, so Heinrich, dass die Grünen in Sitzungen dann anders argumentierten, als es zuvor im Koalitionsausschuss besprochen worden sei.
Dieses Gremium ist mit den Spitzenvertretern der drei Fraktionen besetzt, hier werden die Themen vorberaten. Heinrich, die im Herbst für den Landtag kandidiert, verhehlt nicht, dass es atmosphärisch schon besser mit den Grünen gelaufen sei. Womöglich spiele hier auch die Landtagswahl eine Rolle.
Bei den Grünen kandidieren die stellvertretenden Fraktionsvorsit- Stephanie Schuhknecht und Cemal Bozoglu. Die Chancen von Heinrich, Schuhknecht und Bozoglu, in den Landtag einzuziehen, stehen nicht schlecht. Dass es in der Stadtregierung zwischen den Koalitionären CSU und SPD mitunter Spannungen gebe, bestätigt Heinrich. Dies sei keinesfalls außergewöhnlich. Die SPD stehe jedenfalls zur Koalition: „Die Frage eines Ausstiegs stellt sich derzeit nicht.“
Grundlage der Zusammenarbeit im Bündnis ist ein interfraktioneller Vertrag. Darin haben CSU und SPD
40 Punkte für ihr Regierungsprogramm aufgelistet. Darüber hinaus gibt es eine interfraktionelle Kooperationsvereinbarung, die die Koalitionäre CSU und SPD mit ihrem Partner, den Grünen, abgeschlossen haben. Hier sind es 31 Punkte. Am
17. April 2014 wurde das Paket besiegelt. 18 Unterschriften in mehrfacher Ausfertigung waren dazu nötig.
Das Dreierbündnis gab dem Schulsanierungsprogramm höchste Priorität. Ausgehandelt wurde es in vier Wochen nach der Kommunalwahl im März 2014. Für politische Beobachter war es schnell absehbar, dass es auf eine Große Koalition im Rathaus hinauslaufen werde. CSU und SPD blieben mit Abstand stärkste Parteien und hatten bereits aus eigener Kraft die Mehrheit im neuen Stadtrat. Da eine breite Mehrheit im Stadtrat gesucht wurde, seien zudem die Grünen mit ihren sieben Sitzen als Partner ins Gespräch gekommen, hieß es. Gerade für den weiteren Umbau des Bahnhofs – „ein Jahrhundertprojekt“laut CSU-Fraktionschef Kränzle – sei eine breit aufgestellte Stadtregierung von großem Vorteil.
Die Fraktionsstärke von SPD (13 Mitglieder) und Grünen (sieben) ist seit der Wahl 2014 unverändert. Die CSU legte zu, sie wuchs von 23 Mitzenden gliedern auf nunmehr 28. Hinzu kommt bei Abstimmungen im Stadtrat die Stimme von Oberbürgermeister Kurt Gribl. 61 Stimmen sind es insgesamt.
Reisende soll man nicht aufhalten. Aus Sicht von CSU und SPD wäre es verschmerzbar, auf die Grünen als Kooperationspartner zu verzichten. Ein Partner weniger erfordert weniger Absprachen und bedeutet schnelleres politisches Handeln. Die Grünen jedoch manövrieren sich mit ihren Absatzbewegungen ins politische Abseits. Klar, sie könnten künftig in der Opposition diejenigen attackieren, mit denen sie jetzt im Bündnis sitzen. Wahrscheinlich gäbe es einige gute Gründe, das Gebaren von CSU und SPD anzuprangern. Mitunter kommt der Kurs der Stadtregierung sehr selbstherrlich bei Bürgern an.
Sollten die Grünen ausscheren, könnten sie sagen, wir distanzieren uns von CSU und SPD. Glaubhaft wird diese Strategie aus einem Grund nicht: Der Stadtregierung gehört Umweltreferent Reiner Erben an. Er wird sein Amt kaum zur Verfügung stellen wollen. Ein Vertreter einer Partei, die dem Bündnis entschwindet, wird es danach als Referent noch schwerer haben als jetzt. Wie will sich Erben gegenüber Bürgermeistern und Referenten von CSU und SPD behaupten? Gar nicht. Die Grünen würden folglich ihrem Referenten das Leben noch schwerer machen.
Das eigentliche Dilemma der Grünen in ihrer Regierungsbeteiligung ist ihr Referent. Auch nach vier Jahren gelingt es ihm nicht überzeugend, mit grünen Positionen zu punkten. Nicht von ungefähr gibt es immer wieder Kritik von Naturschutzverbänden. Es sind längst nicht alle Naturschützer. Aber die Kritiker sind zu hören. Dabei könnte Erben durchaus etwas vorweisen, das seine Handschrift trägt: Es sind die Masterpläne zur Elektromobilität und zur nachhaltigen Mobilität. Auch das Umweltbildungszentrum ist ein Projekt, das Erben zugeordnet werden darf. Würden die Grünen diese Punkte besser nach außen verkaufen, hätten sie viel an Schlagkraft gewonnen.
Wenig gepunktet hat Erben in einem anderen Bereich. Er ist zudem Referent für Migration. Somit hätte er es in der Hand, gerade in diesem für Augsburg so wichtigen Themenfeld Akzente zu setzen. Tut er aber nicht in ausreichendem Maß. Dieses Agieren trägt zur Unzufriedenheit in den eigenen Reihen bei. Die Grünen sind teils mehr mit sich selbst beschäftigt als mit anderen politischen Parteien.