Augsburger Allgemeine (Land West)
Naturschützer streiten über den Lechsteg
Zwischen der Augsburger Lechallianz und Kissinger Naturschützern gibt es Kontroversen. Ein Schlichter soll helfen, die Wogen zu glätten. Aber wie könnte eine gemeinsame Linie aussehen?
Die einen sind dafür, die anderen dagegen: Unter Naturschützern in der Region ist ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob ein neuer Lechsteg für Radler und Fußgänger bei Kissing dem Augsburger Stadtwald schweren Schaden zufügen würde oder nicht. Nun ist der Streit so eskaliert, dass ein Schlichter eingeschaltet werden musste. Immerhin hat der Augsburger Stadtwald einen europäischen Schutzstatus.
Die Brücke über den Fluss soll eine direkte Verbindung zwischen der Gemeinde Kissing und dem Augsburger Stadtteil Haunstetten für Spaziergänger und Radfahrer herstellen. Aktuell wurde die Verbindung als Ziel ins Augsburger Stadtentwicklungskonzept aufgenommen. Einen konkreten Standort gibt es noch nicht. Kissings Bürgermeister Manfred Wolf überlegt schon öffentlich, wo der ideale Ort für den Steg sein könnte: an der Sohlschwelle westlich des Kissinger Bahnhofs. Der Lech sei hier nur 80 Meter breit, zudem befindet sich die Schwelle mittig zwischen Hochablass und Lechstaustufe 23, den zwei nächstgelegenen Möglichkeiten zur Flussquerung. Dies sei aber nur einer von mehreren denkbaren Standorten, heißt es. In der Debatte wird von Politikern darauf hingewiesen, dass ein Teil der Naturschützer diesen Steg unterstützt.
Tatsächlich gibt es in der Kissinger Ortsgruppe des Bundes Naturschutz Leute, die den Lechsteg befürworten. Wie Petra Hofberger. Die Ortsvorsitzende ist der Meinung, dass eine neue Radwegeverbindung zwischen Haunstetten und Kissing durch den Stadtwald sinnvoll ist, um Radfahrern und Pendlern ein gutes Angebot zu machen. „Verkehrsteilnehmer steigen nur um, wenn es eine gute Vernetzung gibt“, sagt sie mit Blick auf den Autoverkehr. Wenn man als Naturschützer die neue Osttangente ablehne, müsse man andere Angebote machen. Hofberger verweist darauf, dass viele Augsburger Freizeitradler ein legitimes Interesse daran hätten, am Wochenende auf die Kissinger Seite des Lechs zu kommen.
Hofberger sagt, einige Kissinger BN-Mitglieder seien ihrer Meinung. Beim Umbau des Lechs gebe es sicher Möglichkeiten, Grundlagen für einen Steg zu schaffen. Beim Bund Naturschutz im Landkreis Aichach-Friedberg gibt es aber kein einheitliches Meinungsbild.
Wenig begeistert von den Äußerungen der Kissinger ist man bei der Augsburger Lech- und Naturschutzallianz, in der sich heimische Umweltorganisationen zusammengeschlossen haben. „Ich bin überrascht, dass gerade zu diesem Zeit- punkt des Lechprojekts ,Licca liber‘ diese Wünsche von der Kissinger Seite kommen“, sagt Allianz-Sprecher Günther Groß. Demnächst seien neue Untersuchungen zu erwarten, wie der Lech konkret naturnaher ausgebaut werden kann. Diese Planungen des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth für den groß angelegten naturnaheren Umbau des Flusses müssten Vorrang haben.
Der Zusammenschluss der Naturschutzverbände spricht sich noch aus anderen Gründen gegen einen Lechsteg bei Kissing aus – wegen der Naturschutzverordnung. Danach ist es verboten, „Straßen, Wege oder Pfade“neu anzulegen oder bestehende zu verändern. Dies gelte auch für den Stadtwald Augs- mit dem Lech. „Und dies aus gutem Grund“, sagt Groß.
Der Stadtwald Augsburg zähle zu den wertvollsten Naturschutzgebieten Bayerns. Er sei einer der letzten Trittsteine einer Biotop-Brücke für Tiere und Pflanzen. Diese verlaufe am Lech und sei für ganz Mitteleuropa wichtig. Denn der Lech verbindet als einzige Flusslandschaft die großen Naturräume Alpen und Alb. Der Stadtwald sei auch Trinkwasserreservoir und Erholungsort für die Augsburger. „Dies alles sollte wohl Grund genug sein, dieses Kleinod vor den Toren der Stadt ganz im Sinne der Schutzverordnung zu pflegen und zu bewahren“, sagt Groß. Eine „Fahrradschnellstraße“würde den Stadtwald dort durchschneiden, wo die sensibelsten Biotope liegen. Der Lechsteg solle wohl da entstehen, wo die große Aufweitung des Flussbettes mit Kies- und Sandbänken geplant sei. Stark frequentierte Radwege hätten auch einen „Zerschneidungseffekt“. Viele Kleinsäuger, Reptilien, Laufkäfer, Heuschrecken und andere Tierarten würden ausgebremst. „Eine Lechquerung können wir uns außerhalb des sensiblen Teiles des Haunstettter Waldes vorstellen, da in dieser Höhe eine Anbindung an asphaltierte Straßen möglich ist“, sagt Groß. Zudem sei dort eine geringere Spannweite zu erwarten.
Was ist, wenn die Stadt Augsburg die Idee des Lechstegs weiter verfolgt? Wie geht es bei den Naturburg schützern weiter? Aktuell sind sie damit beschäftigt, intern die Wogen zu glätten. Ein Streitschlichter ist eingeschaltet: Thomas Frey vom Bund Naturschutz in Bayern. Der Gebietsreferent bemüht sich um Ausgleich. Der BN vertrete viele Anliegen, sagt er, vom Artenschutz bis hin zur ökologischen Verkehrspolitik. Alle diese Anliegen seien berechtigt. Aber welches sollte im Stadtwald den Vorrang haben? Bei dieser Frage hält sich der Mann aus München bedeckt: In einem basisdemokratischen Verband könne man eine Meinung nicht von oben verordnen, sagt er, man sei noch im Gespräch. Frey sagt aber auch: „Es wäre wünschenswert, mit einer Stimme zu sprechen.“