Augsburger Allgemeine (Land West)
Wie Augsburg die Sonne anzapfen könnte
Bislang ist Solarenergie vor allem in großen Anlagen auf dem Land erzeugt worden. Eine Studie sieht aber auch in der Stadt große Chancen. Doch wie kann man sie nutzen?
Im Tierreich haben Schwärme enorme Vorteile. Gemeinsam lebt es sich sicherer und auch die Nahrungssuche gestaltet sich ungleich einfacher. Ein Schwarm könnte auch die Lösung für die Energieprobleme der Zukunft sein – glaubt man zumindest bei den Stadtwerken Augsburg.
„Schwarmenergie bedeutet, dass viele kleine ,Minikraftwerke‘ zu einem virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen werden, um den Energiebedarf einer Wohnanlage, eines Viertels oder der ganzen Stadt zu decken“, erklärt StadtwerkeVertriebsleiter Ulrich Längle. Minikraftwerke – das sind Fotovoltaikanlagen auf dem Dach oder Blockheizkraftwerke im Keller von Einfamilienhäusern oder Wohnanlagen. Mit der Energiewende habe man sich entschieden, die Energiegewinnung hin zu erneuerbarer Energie zu verschieben. Neben der Wasserkraft und Blockheizkraftwerken ist die Sonne in Augsburg der wichtigste Energielieferant.
Etwa 1000 Stunden scheint die Sonne im Jahr in Augsburg – in diesem Sommer dürften es noch einige mehr sein. Doch in der Stadt spielt die Sonnenenergie bisher eine untergeordnete Rolle, so Längle. Nicht einmal ein Prozent der Dachflächen sind mit einem Fotovoltaikmodul bestückt. In Augsburg wurden zuletzt (2016) gut 31 Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr erzeugt. Das würde zwar reichen, um mehr als 13 300 der knapp 150 000 Augsburger Privathaushalte zu versorgen – zugleich deckt die Sonne aber nicht einmal zwei Prozent des Augsburger Energiehungers (1926 Millionen Kilowattstunden). Und deutlich kleinere Gemeinden wie etwa Langerringen im Landkreis Augsburg erzeugen mehr Solarstrom. Das Potenzial ist aber auch in Augsburg größer.
Etwa zehn Prozent der Dächer wären nach Ansicht der Stadtwerke zur Sonnenstromerzeugung geeignet. „Hier liegt die Zukunft, große Fotovoltaikanlagen auf der grünen Wiese sind Geschichte“, sagt Längle. Die Verwendung des Sonnenstroms ändert sich gerade massiv. Bislang speisten vor allem Investo- auf dem Land den Strom ins Netz ein und profitierten so von den Förderungen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG). Doch diese Förderungen laufen aus. Mittlerweile sei es sinnvoller, den Strom selbst zu nutzen – und nur Überschüsse einzuspeisen. Doch das langfristige Ziel ist, dass die Bürger den Strom untereinander teilen. „Wer zuviel produziert, gibt seinem Nachbarn davon ab“, so Längle. Die Stadtwerke wollen dabei als zentrale Steuerungseinheit fungieren. Möglich werde dies durch die Digitalisierung und immer bessere Steuerungstechnik. Diese „Zukunftsmusik“, könne durchaus in fünf Jahren in Augsburg Realität sein, glaubt der Stadtwerkemanager.
War es bisher nur für Hausbesitzer möglich, mit Solarmodulen auf dem Dach oder einem ErdgasBlockheizkraftwerk im Keller einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, können das jetzt auch Mieter beispielsweise in Wohnanlagen, sagt der Leiter der Energiedienstleistungen bei den Stadtwerken, KarlHeinz Viets. Das Stichwort ist „Mieterstrom“. „Die Stadtwerke mieten die Dachfläche und stellen die gesamte Technik zur Verfügung“, sagt Viets. Die Mieter können entscheiden, ob sie den „eigenen“Strom beziehen oder über das Stromnetz versorgt werden möchten. Der Strom vom Dach ist zehn Prozent günstiger. Überflüssiger Strom könnte in Batterien gespeichert werden. „Die sind aber derzeit noch extrem teuer“, weiß Viets. Die Zukunft proben Stadtwerke und die Wohnbaugruppe Augsburg gerade bei der Sanierung eines Wohnblocks an der Marconistraße.
Hier wird Strom über eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt – alles, was das Haus nicht verbraucht, wird über eine „Power to Gas“-Anlage in Methangas umgewandelt. Dieses ist unbegrenzt haltren bar und betreibt die Heizanlage im Haus. Mark-Dominic Hoppe, der Chef der Wohnbaugruppe, hat große Hoffnungen in das Projekt: „Wir sparen auf diese Weise über 70 Prozent an Energie ein.“Derzeit schaute man in ganz Deutschland auf das Projekt. „Es ist das erste Mal, dass so etwas bei einem Wohngebäude gemacht wird“, so Hoppe.
Für die Stadt hat das Thema Solarenergie große Bedeutung, sagt Umweltreferent Reiner Erben. Rund 300 Millionen Kilowattstunden Strom könnten laut einer Studie über Fotovoltaikanlagen erzeugt werden; zehnmal mehr als heute. Allerdings sei man dabei auf die Förderpolitik des Bundes angewiesen. Dass der Ausbau der Fotovoltaik seit einigen Jahren stagniert, liege an den veränderten Bedingungen für die Förderung der erneuerbaren Energien. Derzeit werde eine Solaroffensive vom Umweltreferat in Augsburg vorbereitet, so Erben.