Augsburger Allgemeine (Land West)
Missbrauch im großen Stil
Ermittler decken Vergehen der katholischen Kirche auf
Washington Ein Priester missbrauchte einen siebenjährigen Jungen und nötigte ihn nachher, die angebliche Sünde bei ihm zu beichten. Ein anderer Geistlicher vergewaltigte ein Mädchen, dem gerade die Mandeln herausgenommen worden waren, beim Krankenhausbesuch. Ein dritter Gottesmann wusch den Mund eines neunjährigen Jungen, den er zum Oralsex gezwungen hatte, anschließend mit Weihwasser aus. Es sind kaum erträgliche Geschichten, die der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania nach der zweijährigen Durchsicht von 500000 Dokumenten der katholischen Kirche rekonstruiert hat.
Mehr als 300 katholische Priester in diesem Bundesstaat sollen sich in den vergangenen 70 Jahren an tausenden Kindern vergangen haben. Ein fast 900 Seiten dicker Bericht belegt, dass die Taten von den Kirchenoberen systematisch vertuscht, die Opfer zum Schweigen überredet und die Behörden zur Nachsichtig- keit gedrängt wurden. Die Kirche habe ihre Institution geschützt – koste es, was es wolle.
Man habe die bislang größte Untersuchung über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche der USA abgeschlossen, sagte Generalstaatsanwalt Josh Shapiro. Die Vorwürfe der Vertuschung reichen bis in höchste Kirchenkreise der USA. Mehr als 15 Jahre, nachdem die Geschehnisse um den Priester John Geoghan den Missbrauch von Geist- lichen erstmals an die Öffentlichkeit gebracht hatten, ist der Skandal damit für die katholische Kirche in den USA zum alles überlagernden Thema geworden.
„Die Kirchenoberen folgten geradezu einem Lehrbuch für die Vertuschung“, heißt es in dem nun veröffentlichten Bericht. Vergewaltigungen wurden in den kirchlichen Unterlagen als unangemessene Kontakte verniedlicht, selbst belastete Priester mit der Untersuchung von Kollegen betraut und die Versetzung von Triebtätern gegenüber der Gemeinde mit gesundheitlichen Problemen begründet. Rund 1000 Opfer wurden identifiziert. Wahrscheinlich gebe es jedoch tausende mehr, sagte Shapiro.
Der lange Zeitraum bis zur Aufdeckung der Taten durch die jahrzehntelange Vertuschung hilft nun auch den Priestern vor Gericht. Bislang wurden nur zwei Geistliche angeklagt. Der ganz überwiegende Teil der Fälle kann strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden, da er verjährt ist.