Augsburger Allgemeine (Land West)
Einfach kein grüner Daumen
Der Mensch neigt zur Selbstüberschätzung, ich bin da keine Ausnahme. Ein paar Monate lang dachte ich zum Beispiel, ich könne gärtnern. Wobei „gärtnern“nicht ganz das richtige Wort ist, denn ich habe gar keinen Garten, noch nicht mal einen Balkon. Das macht mich regelmäßig sehr traurig, besonders jetzt im Sommer. Ich spähe dann neiderfüllt über Gartenzäune und werfe sehnsüchtige Blicke auf die hübschen Balkone in der Nachbarschaft.
Irgendwann, es muss im Mai gewesen sein, wurde der Natur-Neid so groß, dass ich mir kurz entschlossen drei Pflanzen kaufte: Lavendel, einen Tomatenstrauch, und ein drittes Blümchen, dessen Namen ich bereits vergessen habe. Es überlebte nur eine Woche.
In den übrigen beiden Blumentöpfen, die ich auf dem Fensterbrett im Schlafzimmer platziert hatte, sah es jedoch fabelhaft aus. Der Lavendel duftete, die Tomate blühte. Ich fühlte mich wunderbar, ganz im Einklang mit der Natur. Jeden Morgen goss ich die beiden Pflanzen, alles war gut. Für etwa einen Monat.
Dann passierte, was mir eigentlich immer passiert, wenn es um Pflanzen geht: Ich vergaß, die Töpfe zu wässern. Erst einmal, dann zwei Mal, dann sechs Tage lang. Das Ergebnis der Vernachlässigung zeigte sich schnell: Der Lavendel verdorrte, die einzige Tomate am Strauch blieb klein wie eine Olive.
Ein paar Mal erholten sie sich noch, aber irgendwann gab ihnen die Sommerhitze den Rest. Ein wenig hatte ich sicherlich auch Anteil an ihrem Schicksal.
Jetzt baumelt einsam eine rote Tomate am Strauch. Ich traue mich nicht, sie zu essen. Was von mir begärtnert wurde, kann doch eigentlich nicht schmecken.