Augsburger Allgemeine (Land West)
Moloch Dhaka: Mehr Stau geht nicht
Auf den Straßen von Bangladeschs Hauptstadt kommt man mit dem Auto kaum schneller zum Ziel als zu Fuß. Das führt jetzt zu Protesten – mit überraschenden Folgen
Dhaka Das Wort Moloch wäre als Beschreibung für Dhaka eine Untertreibung. Die Hauptstadt von Bangladesch ist ein einziger riesiger Stau mit immerwährendem Hupkonzert. Wer hier von A nach B will, sollte sich für den Rest des Tages nichts mehr vornehmen. Es ist so schlimm, dass tausende demonstrierende Jugendliche vor kurzem die Straßen blockierten. Und plötzlich lief der Verkehr besser.
„In Dhaka ist es sogar normal, dass ein Krankenwagen im Verkehr feststeckt“, sagt Caroline Roy, die in der Stadt für eine Marketing-Firma arbeitet. Sie habe das schon mehrmals selbst erlebt, als ihre Mutter nach Schlaganfällen ins Krankenhaus musste. „Wir hätten unsere Mutter verloren, wenn mein Bruder ausgestiegen wäre und die Leute dazu gekriegt hätte, den Weg frei zu machen.“
Wenige der 160 Millionen Einwohner von Bangladesch haben einen Führerschein. Wenn man mal kontrolliert wird, zahlt man einfach Schmiergeld. Fahrzeuge werden auch kaum auf Verkehrstauglichkeit geprüft. Eine Menge Unfälle sind die logische Folge. Einer Studie zufolge sterben jedes Jahr 12 000 Menschen bei Unfällen auf den Straßen des südasiatischen Landes.
Nachdem ein Bus Ende Juli in eine Haltestelle in Dhaka raste, zwei Schüler tötete und einige mehr verletzte, hatten die jungen Bewohner der Stadt die Schnauze voll. Es folgte ein ungewöhnlicher Protest: Schüler und Studenten regelten den Verkehr und kontrollierten Papiere. Erst nach einer Woche war damit Schluss, als die Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgingen. Während der Proteste waren die Straßen ungewöhnlich leer, weil viele Menschen ohne Führerschein sich nicht hinter das Steuer trauten. So erlebte es Sarwar Jahan, emeritierter Professor für Stadtplanung. Es erinnerte ihn ein bisschen an seine Studentenzeit Anfang der 70er Jahre, als Dhaka nur eine halbe Million Einwohner hatte und er mit dem Fahrrad überall hinfuhr. Inzwischen leben mehr als 18 Millionen Menschen in Dhaka. Bis auf einige neue Überführungsstraßen ist die Infrastruktur aber so gut wie nicht angepasst worden. Jedes Jahr kommen rund eine halbe Millinicht on Binnenmigranten hinzu – viele von ihnen Arbeitssuchende, die in Slums landen. Im Jahr 2030 wird Dhaka laut UN voraussichtlich mit 27 Millionen Einwohnern die sechstgrößte Megastadt der Welt sein.
Schon jetzt ist es nach UN-Zahlen die mit Abstand am dichtesten besiedelte Stadt der Welt. Pro Quadratkilometer leben hier etwa zehnmal so viele Bewohner wie in München, die deutsche Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Kürzlich kürte die Zeitschrift The
Economist in ihrer jährlichen Rangliste Wien zur lebenswertesten Stadt der Welt. Auf dem vorletzten Platz, nur die syrische Hauptstadt Damaskus hinter sich, landete Dhaka.