Augsburger Allgemeine (Land West)
Applaus und Pfiffe für die Kanzlerin
Veranstaltung In stürmischen Zeiten kommt Angela Merkel zur Diskussion ins Rathaus. Draußen fällt der Empfang gemischt aus, drinnen spricht sie im „Augsburger Allgemeine Forum live“über ihre Politik und ihre Zukunft
Minuten vor halb acht ist es so weit: Der Konvoi der Kanzlerin rollt durch die Maximilianstraße. Vor dem Rathaus hat die Polizei abgesperrt. Angela Merkel steigt aus. Es gibt Applaus, aber auch Pfiffe. Oberbürgermeister Kurt Gribl und
Alexandra Holland begrüßen die Kanzlerin, dann geht es hinauf in den Goldenen Saal zum „Augsburger Allgemeine Forum live“. Vor 450 Gästen diskutiert Merkel die großen politischen Themen mit Chefredakteur Gregor Peter Schmitz – von der Koalition über die Bayern-Wahl bis zu ihrer persönlichen Zukunft.
Draußen hat die Polizei das Gebäude schon seit mehreren Stunden im Blick und ist mit einem größeren Aufgebot vor Ort. Doch die Stimmung ist entspannt. Vor der Ankunft der Kanzlerin sitzen viele junge Menschen im Licht der untergehenden Sonne auf dem Rathausplatz und trinken ein Feierabendbier. Dass gleich die Bundeskanzlerin vorfahren wird, wissen nicht alle. „Ach, heute ist das? Deshalb ist hier schon so viel Polizei“, sagt Anna. Ihre Freundin Nadine und sie dachten, dass das Turamichele schon beginnt. Noch eine Stunde auf das Erscheinen von Kanzlerin Angela Merkel warten wollen sie nicht. „Deswegen sind wir ja nicht da.“
Rüdiger Kalupner ist dagegen extra aus Erlangen angereist. Er verteilt vor dem Rathaus das „1. Merkel-Fan-Flugblatt“. 120 Stück hat er dabei. Ein echter Fan ist auch Christine Singer aus Augsburg. Sie hat keine Karte für die Veranstaltung und ist dennoch bereits eine Stunde zuvor da. „Für Politik interessiere ich mich null. Aber Frau Merkel mag ich. Ich bewundere sie, wie sie das alles schafft.“
Eine junge Frau, barfuß und die Haare grün gefärbt, steht in der Nähe, als die Kanzlerin aus ihrer Limousine aussteigt. „Frau Merkel“, ruft sie. Sie gehört zur Punkerszene, die auf dem Rathausplatz ihren Treffpunkt hat. Sie würde gerne mit der Kanzlerin reden, sagt sie. Etwas darüber erfahren, wie Merkel groß geworden ist und wie sie über die „einfachen Bürger“denkt. Doch sie kommt nicht durch. Polizeibeamte schirmen die Kanzlerin auf dem Weg ins Rathaus ab. Sie winkt den Zuschauern kurz zu. Der Zeitplan ist eng an diesem Abend. Drinnen startet sofort das Live-Interview.
Nach einer ersten Frage zur Ver- gabe der Fußball-Europameisterschaft 2024 nach Deutschland – Merkel: „Ich bin ganz sicher, dass Deutschland ein wunderbarer Gastgeber sein wird.“– wird es ernst.
Gregor Peter Schmitz thematisiert die Abwahl des CDU-Fraktionschefs im Bundestag, Volker Kauder, und fragt, wie nah das Ende von Merkels Kanzlerschaft sei. Sie antwortet: „Ich sitze hier ganz quicklebendig. Ich gedenke, meine Arbeit weiter zu tun.“Als es um den Diesel-Skandal geht, erinnert sich die Kanzlerin, wie sie vor vielen Jahren in Augsburg als Umweltministerin die ersten ErdgasWenige busse eingeweiht habe: „Wenn alle deutschen Städte so weit wären wie Augsburg, dann hätten wir schon ein paar Probleme weniger.“Die Fragen der Besucher beantwortet sie später ebenso ernsthaft wie die des Chefredakteurs. Den Gästen geht es unter anderem um das Thema Ehrenamt und um die Frage, wie die Zukunft der jungen Leute in Deutschland aussehen wird.
Die Bundeskanzlerin war zuvor mit dem Flugzeug in Lagerlechfeld gelandet. Der Besuch war von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Nur wer sich vorab angemeldet hatte, durfte in den Saal. Ähnlich war es im vergangenen Jahr, als Merkel im Bundestagswahlkampf in einem Plärrer-Zelt auftrat. Damals hatte es am Rande lautstarke Proteste gegeben. Davon war am Donnerstag nichts zu hören.
Um 21 Uhr verlässt Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder das Augsburger Rathaus – genau nach Zeitplan. Dieses Mal geht es durch den Seitenausgang. Ein paar Schaulustige rufen „Angie!“Und eine Frau versucht, der Kanzlerin noch ein politisches Anliegen mit auf den Weg zu geben: „Retten Sie die Hebammen“, ruft sie. Dann biegt der Konvoi auf die Maximilianstraße ab. »Weitere Artikel Wie die Kanzlerin Oberbürgermeister Gribl einschätzt, lesen Sie auf Seite 34. Auf erfahren Sie, was Merkel über die zunehmende Verrohung der Sprache denkt.