Augsburger Allgemeine (Land West)
Sündenbock Seehofer
Aufgefallen
Sündenböcke kennt fast jeder. Die Gattung hat eine lange Geschichte. Historisch gesehen geht der Sündenbock auf das Alte Testament zurück. Eine Erzählung dazu steht in Levitikus 16. Sie lautet verkürzt, dass die Missetaten und Übertretungen der Israeliten durch das Auflegen der Hände stellvertretend auf einen Ziegenbock übertragen werden.
Wir wissen natürlich nicht, wer zuletzt alles seine schmutzigen Hände an Horst Seehofer gelegt hat, um Sünden zu übertragen. Tatsache aber ist: Dieser Tage bekommt der CSU-Chef zu spüren, dass das Los, als Sündenbock ausgewählt worden zu sein, kein leichtes ist.
Seehofer selber beschreibt sein Schicksal völlig zutreffend: „Das ist der modernste Sport im Moment. Ich bin an allem schuld, jetzt auch an der Situation der SPD. Ich bin an dem schwedischen Wahlergebnis ursächlich, ich bin in Hessen ursächlich, ich bin für alles ursächlich.“
Richtig ist: Wo es keine Gelassenheit im Umgang mit Fehlern gibt, ein hoher Erfolgsdruck und ein personalisierendes Denken herrscht, werden Menschen gerne zum Sündenbock gemacht. Vor und nach Wahlen tritt diese Konstellation häufig ein. Und am 14. Oktober wird in Bayern gewählt.
Der zuletzt, vorsichtig formuliert, politisch unglücklich agierende CSU-Grande Seehofer ahnt wohl schon, was in diesem Zusammenhang noch auf ihn zukommen könnte. Denn der Sündenbock wird traditionell in die Wüste geschickt – und mit ihm natürlich auch die ganzen Sünden. Ein passender Termin könnte in der Woche nach den Landtagswahlen gefunden werden. Man kann Seehofer nur zuraten, genügend Wasser mitzunehmen. Denn Wüsten können trocken sein.