Augsburger Allgemeine (Land West)
Wollen wir die totale Vermarktung?
Sie murren nicht, kein Stück. Vielleicht weil Eishockeyspieler härter sind – gegen ihre Kontrahenten und sich selbst. Oder einfach einsehen: Wer zahlt, schafft an. Am Mittwoch trugen die Edmonton Oilers aus der nordamerikanischen Profiliga NHL mit dem deutschen Nationalspieler Leon Draisaitl ein Freundschaftsspiel bei den Kölner Haien aus. Im Gegensatz zu den Punktspielen in der Deutschen Eishockey-Liga war die LanxessArena mit 18 400 Zuschauern proppenvoll. Nach dem 4:3-Sieg nach Verlängerung ging es für die Edmonton-Stars weiter nach Stockholm. Am Samstag steht in der schwedischen Hauptstadt ein NHLPunktspiel gegen die New Jersey Devils an.
Vor knapp einem Monat spielten sich die Boston Bruins und die Calgary Flames in Peking und Shenzhen in einem Freundschaftsspiel den Puck zu. Wenn man die NHLProfis demnächst auf den Mond schicken würde – why not? Um neue Märkte zu erschließen, scheint den Eishockey-Machern kein Weg zu weit. Und für die Nordamerikaner macht es kaum einen Unterschied, ob sie von der West- an die Ostküste fliegen oder gleich ein paar tausend Kilometer weiter nach Europa oder China. Auch dass die Nordamerikaner hier auf deutlich größeren Eisflächen erst die Orientierung finden müssen – geschenkt.
Ganz anders die spanischen Fußballer. Die im August veröffentlichten Pläne, künftig Punktspiele in den USA auszutragen, lösten einen Proteststurm aus, der sich bis heute nicht gelegt hat. Die Vorstellung, dass Real Madrid und der FC Barcelona den Classico im Januar in Miami bestreiten, trieb die Stars auf die Barrikaden. Die Kapitäne Sergio Ramos (Real) und Lionel Messi (Barca) sowie die Spielergewerkschaft drohten mit Streik. Bei der Entscheidung würden die Fans „total vergessen“, führten die Multi-Millionäre als Hauptargument an. Die plötzliche Sorge der Millionäre um die eigene Anhängerschaft verwundert insofern, als der Fußball längst global vermarktet wird.
Thomas Tuchel holte sich den französischen Supercup gegen den AS Monaco in Shenzhen. China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern will nicht nur in der Politik und in der Wirtschaft zu den Weltmächten zählen, sondern auch im Sportgeschäft mitmischen. Ökonomisch mag das Sinn machen, ökologisch ist es Wahnsinn und nach der Seele des Spiels fragt sowieso kaum einer mehr.