Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Zeitnot Zwietracht und Fallstrick­e sät

Komödie Die Theaterfre­unde Siegertsho­fen ziehen die Zuschauer mit viel Spielwitz und Herzblut in den Bann. Ihr aktuelles Stück ist „Da Zeitbschei­ßer“, eine Komödie mit Hintersinn

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Fischach-Siegertsho­fen Das Warten und Innehalten, das Trödeln und Abschalten sind den Menschen in der kleinen Marktgemei­nde längst verloren gegangen. Als eines Tages ein Handelsrei­sender in kleinen Päckchen Zeit verkauft, wird die Sehnsucht nach individuel­ler Entschleun­igung riesengroß. Doch der Weg hin zu fast nur glückliche­n Menschen ist lang. Die Theaterfre­unde Siegertsho­fen säumen ihn in der Peter-Landstorfe­r-Komödie „Da Zeitbschei­ßer“mit Streit und Lumpereien, aber auch Nachdenkli­chkeit. Die Premiere des ereignisre­ichen Theaterstü­cks kam beim Publikum im ausverkauf­ten Vereinshei­m bestens an.

Die Begegnunge­n auf dem idyllische­n Dorfplatz sind von Zeitnotsta­nd geprägt. Jeder hetzt, rumort und grantelt: die Blumen-Liesl (Marion Kleber) und der Friseur Severin Scheitl (Benjamin Wiest) ebenso wie die Kramerin Maria Dorfleitne­r (Brigitte Köbler) und die ewig nörgelnde Grafen-Perle Kreszenz (Marianne Koos). Auch Wirtin Berta Poschenrie­der (Brigitte Karlinger) und ihr Mann, der Metzger und Bräu Paul (Udo Ziegelmeie­r), machen da keine Ausnahme. Nur einer hat eine Menge Zeit: Der Postler Anton Bleschl (Florian Auer) lässt als typischer Beamter alles seelenruhi­g angehen.

In dieser Atmosphäre des allgemeine­n Zeitdrucks nervt Dorfpfarre­r Unruh (Rupert Oechsle) seine Schäfchen mit der Forderung, endlich eine neue Kirchenuhr anzuschaff­en. Er stößt dabei auf erbitterte­n Widerstand des Metzgerbrä­us. Das geht so weit, dass der Wirt während des Gottesdien­stes in seinem Gasthaus Freibier ausschenkt, damit keine Leute in die Messe gehen. Er rechtferti­gt dies salopp mit dem Hinweis: „Jeden Tag eine gute Tat.“

Der Geistliche wiederum kontert damit, dass er Sündern nach der Beichte mehrwöchig­e Stammtisch­verbote aufbrummt. „Der Sinn der Buße ist der Schmerz des Büßers“, begründet er lächelnd seine Strafe. Doch die Zuschauer merken schnell, dass der Pfarrer kein Unschuldsl­amm ist. Verschmitz­t ändert er auf der Wirtstafel immer wieder heimlich die Preise der angebotene­n Speisen.

In diese Hass-Liebe und Zeitnot platzt ein Fremder. Er gibt sich als Handelsrei­sender Karl Gustav Zeitlhacke­r (Dirk Gerlach) aus, der Zeit verkauft. Weil keiner mehr Zeit hat, sind alle fasziniert von ihm. Die Nachfrage ist groß. Und für jeden ist etwas dabei: Heimzeit, Teilzeit, und schlechte Zeit. Die Wirtin kauft Freizeit, ihr Mann Rauschzeit, die Blumen-Liesl entscheide­t sich für Hochzeit, der Friseur für Urlaubszei­t, die Kramerin für Jugendzeit.

Kreszenz ordert für sich und ihren Grafen Sturm- und Drangzeit und zur Sicherheit für den Adligen auch Schlusszei­t. So blühen alle mit ihrem erworbenen Zeitwohlst­and auf. Nur nicht der Postbeamte, der seine genügend freie Zeit sogar dem Handelsrei­senden verkaufen will.

Am Schluss erfährt die Handlung eine überrasche­nde Wendung. Die Reibereien zwischen dem Pfarrer und dem Metzgerbrä­u werden beigelegt. Mehr noch: Der Wirt erhält sogar die dringend notwendige Dienstbark­eit für seinen Sudhausanb­au. Und der Geistliche seine neue Kirchenuhr. Die Zuschauer sind jedenfalls erstaunt, wer letztlich tatsächlic­h der ausgefuchs­te „Zeitbschei­ßer“ist.

Das Publikum wohnte diesem Spiel aus Verwicklun­gen, Streiterei­en, Heucheleie­n, Nachdenkli­chkeit und Augenzwink­ern sichtlich mit viel Spaß bei. Kein Wunder: Die hervorrage­nden Darsteller agierten gewitzt, souverän, ausdruckss­tark und textsicher. Alle warfen ihr Können in die Waagschale, um dem Stück Temperamen­t, Würze und Situations­komik zu verleihen. Einzelne Mimen hervorzuhe­ben hieße die berühmten Eulen nach Athen zu tragen. Alle erhielten für ihr ausgegute zeichnetes Spiel anhaltende Lacher und wiederholt Szenenappl­aus. Ein Beweis dafür, dass die Aufführung ganz nach dem Geschmack des Publikums war.

Die Umsetzung der Geschichte wurde übrigens von einem eindrucksv­ollen Bühnenbild umrahmt. Udo Ziegelmeie­r gebührt dafür ein Extra-Fleiß- und Kreativpun­kt.

Weitere Aufführung­en finden jeweils samstags am 6., 13. und 20. Oktober (Beginn 20 Uhr) sowie sonntags am 7. und 21. Oktober (Beginn 19.30 Uhr) statt. Saalöffnun­g ist eine Stunde vor Beginn. Der Eintritt kostet sieben Euro. Karten im Vorverkauf hält Luise Erlinger unter der Telefonnum­mer 08204/429 bereit.

 ?? Foto: Siegfried P. Rupprecht ?? Erstaunt, was der Katalog des Zeitverkäu­fers alles bietet: (von links) Brigitte Köbler, Marion Kleber, Udo Ziegelmeie­r und Florian Auer.
Foto: Siegfried P. Rupprecht Erstaunt, was der Katalog des Zeitverkäu­fers alles bietet: (von links) Brigitte Köbler, Marion Kleber, Udo Ziegelmeie­r und Florian Auer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany