Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Star ist der Verdächtige
Tatort: Der Mann, der lügt
ARD, 20.15 Uhr Ab und zu nimmt der „Tatort“vor sich selbst Reißaus, bricht seine Erzählweise und überrascht seine Zuschauer. Ob mit improvisierten Geschichten oder in einem Take gedreht – das kann funktionieren oder in die Hose gehen. Im Stuttgarter Fall passiert leider Letzteres. Was schade ist, denn „Der Mann, der lügt“schafft es nicht, an die gewohnte Qualität der Krimis aus dem Ländle anzuschließen. Warum? Schon der Grundgedanke erinnert an etliche Filme des Genres. Die Ermittlungen um die Ermordung des dubiosen Anlageberaters Uwe Berger werden nicht aus der Sicht der Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) erzählt. Es ist der unscheinbare Familienvater Jakob Gregorowicz (Manuel Rubey), aus dessen Blickwinkel der Zuschauer die Geschichte erlebt.
Lannert und Bootz werden hier fast zu Nebenfiguren degradiert, die zunächst ratlos wirken, dann aber in Verhörtechniken wie aus dem Lehrbuch den Hauptverdächtigen Gregorowicz bedrängen, um die Wahrheit zu erfahren. Dessen Problem sind seine Treffen mit dem Mordopfer Berger, das nach und nach insgesamt 200 000 Euro seines Klienten versenkt hatte. Je tiefer die Ermittler sich in dem Fall verhaken, desto stärker wird auch Gregorowicz mit seinen Ausreden konfrontiert. Völlig vereinsamt läuft er mit einem Ballast von Lügen durch die Stadt. Dazu eine gewollte Raffinesse: Gregorowicz hat Wahrnehmungsstörungen, wobei offenbleibt, ob Gewaltszenen und verschwommene Gesichter real sind oder Visionen und Albträume widerspiegeln.
Ein optischer Kunstgriff, der so neu nicht ist. Und wie sich die Ermittler in Hypothesen um weitere Verdächtige und in küchenpsychologische Sprüche verstricken, langweilt auf Dauer. So muss wieder mal ein starker Hauptdarsteller, den man bei uns häufiger sehen möchte, die Story retten. Der Österreicher Manuel Rubey, der sich als Gregorowicz für seine Lügen selbst bestraft, wirkt gegen Ende wie ein unheilbar Kranker. Sieht denn so ein Mörder aus? Rupert Huber