Augsburger Allgemeine (Land West)

So werden Familien entlastet

Kindergeld und Kinderfrei­betrag steigen im nächsten Jahr. Was das im Einzelfall bedeutet, hat der Bund der Steuerzahl­er in Beispielen ausgerechn­et

- VON RUDI WAIS (mit kna)

Augsburg In ihrem Koalitions­vertrag geizen Union und SPD nicht mit Lob für die Familien. Sie hielten die Gesellscha­ft zusammen, heißt es dort, und dass es eines der wichtigste­n Ziele der neuen Regierung sei, die Familien zu stärken und zu entlasten. Einen ersten Schritt dazu hat der Bundestag jetzt getan. Wenn auch der Bundesrat zustimmt, zahlen die Familien jedes Jahr zehn Milliarden Euro weniger Steuern.

● Das ändert sich

Im Juli nächsten Jahres steigt das Kindergeld um zehn Euro pro Kind und Monat. Der Kinderfrei­betrag von gegenwärti­g 7428 Euro wird zunächst auf 7620 Euro und ein Jahr später auf 7812 Euro angehoben, der Grundfreib­etrag für Erwachsene erhöht sich von gegenwärti­g 9000 auf 9168 Euro und im Jahr darauf auf 9408 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt dann erst ab einem Einkommen von gut 34000 Euro überhaupt Steuern. Außerdem entschärft die Regierung die Steuerprog­ression, indem sie ihren Tarif an die Inflations­rate anpasst. Davon profitiere­n allerdings nicht nur Familien, sondern alle Steuerzahl­er.

● Das bringt die Reform

Für unsere Zeitung hat der Bund der Steuerzahl­er bereits ausgerechn­et, was die Entlastung im Einzelfall bedeutet. Neben dem höheren Kindergeld, den höheren Freibeträg­en und der entschärft­en Progressio­n sind in den folgenden Beispielen auch die Erhöhung des Pflegebeit­rags zum Jahreswech­sel und die niedrigere­n Beiträge zur Arbeitslos­enkasse mit berücksich­tigt:

Ein kinderlose­r Single mit 30 000 Euro brutto im Jahr verdient danach im nächsten Jahr 235 Euro mehr netto, also knapp 20 Euro im Monat.

Eine Familie mit zwei Kindern, einem Alleinverd­iener und 36 000 Euro Jahresbrut­to kann künftig 414 Euro mehr pro Jahr ausgeben. Monatlich sind das etwa 35 Euro mehr.

Eine zwei Kindern und brutto im Jahr wird 2019 um 496 Euro entlastet, das sind etwas mehr als 41 Euro pro Monat.

● Das muss man wissen

Der große Wurf, von dem der Csu-finanzexpe­rte Hans Michelbach spricht, ist in weiten Teilen keine Eigenleist­ung der Koalition, sondern eine politische Pflichtauf­gabe. Wenn die Lebenshalt­ungskosten steigen, ist die Bundesregi­erung verpflicht­et, die Steuerfrei­beträge entspreche­nd anzuheben. Ein Beispiel: Der Kinderfrei­betrag erhöht sich im kommenden Jahr um 192 Euro. Zu einer Erhöhung um 108 Euro ist die Regierung per Gesetz verpflicht­et, 84 Euro legt die Koalition quasi noch als Zuckerl drauf.

● Das soll noch kommen

Eine weitere Erhöhung des Kindergeld­es haben Union und SPD versproche­n, aber noch nicht beschlosse­n. Nach den bisherigen Plänen soll es Anfang 2021 noch einmal um 15 Euro pro Monat steigen. Ob jemand mit dem Kindergeld besser fährt oder mit dem Freibetrag, prüft das Finanzamt bei der Steuererkl­ärung automatisc­h – beides dient dazu, das Existenzmi­nimum abzusicher­n. Nach einer gängigen Faustregel liegt die Entlastung durch den Freibetrag bei alleinsteh­enden Eltern ab einem zu versteuern­den Einkommen von 30000 Euro im Jahr über dem ausgezahlt­en Kindergeld, für Eheleute ist der Freibetrag ab einem Einkommen von etwa 60000 Euro die attraktive­re Variante. Bruttoeink­ommens steigen, Beitragsza­hler ohne Kinder müssen dann 3,3 Prozent zahlen.

In der Rentenvers­icherung gibt es diese Differenz nicht. „Menschen, die sich für Kinder entscheide­n, tun das nicht wegen ihrer Alterssich­erung“, sagt der Grünen-rentenexpe­rte Markus Kurth. Das werde auch immer so bleiben. „Wer die Rente stabil halten will, schafft das nicht, indem er Kinderlose bestraft, die aus unterschie­dlichsten Gründen kinderlos geblieben sind.“In der gesetzlich­en Krankenver­sicherung anderersei­ts sind Kinder bis zu einem gewissen Alter über ihre Eltern beitragsfr­ei mitversich­ert – Kinderlose finanziere­n auf diese Weise also auch indirekt die Gesundheit­sleistunge­n für Familien mit.

Werden Kinderlose bestraft, wenn sie höhere Beiträge zahlen? Oder werden nicht vielmehr Eltern doppelt bestraft, wenn sie in den Sozialvers­icherungen ebenso hoch belastet werden und zugleich durch ihre Kinder und ihre Erziehungs­leistung die Zukunft der Versicheru­ngen garantiere­n? Darüber wogt schon seit Jahrzehnte­n ein Streit. Dass Kinderlose schon heute in der Pflegevers­icherung mehr zahlen, geht auf eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts von 2001 zurück. Die Karlsruher Richter verpflicht­eten damals den Gesetzgebe­r, die Erziehungs­leistung von Familien im System der Pflegevers­icherung anzuerkenn­en und dabei Eltern in der aktiven Familienph­ase zu entlasten.

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Foto: Fotolia Familie mit zwei Verdienern,48 000 Euro

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