Augsburger Allgemeine (Land West)
So werden Familien entlastet
Kindergeld und Kinderfreibetrag steigen im nächsten Jahr. Was das im Einzelfall bedeutet, hat der Bund der Steuerzahler in Beispielen ausgerechnet
Augsburg In ihrem Koalitionsvertrag geizen Union und SPD nicht mit Lob für die Familien. Sie hielten die Gesellschaft zusammen, heißt es dort, und dass es eines der wichtigsten Ziele der neuen Regierung sei, die Familien zu stärken und zu entlasten. Einen ersten Schritt dazu hat der Bundestag jetzt getan. Wenn auch der Bundesrat zustimmt, zahlen die Familien jedes Jahr zehn Milliarden Euro weniger Steuern.
● Das ändert sich
Im Juli nächsten Jahres steigt das Kindergeld um zehn Euro pro Kind und Monat. Der Kinderfreibetrag von gegenwärtig 7428 Euro wird zunächst auf 7620 Euro und ein Jahr später auf 7812 Euro angehoben, der Grundfreibetrag für Erwachsene erhöht sich von gegenwärtig 9000 auf 9168 Euro und im Jahr darauf auf 9408 Euro. Eine Familie mit zwei Kindern zahlt dann erst ab einem Einkommen von gut 34000 Euro überhaupt Steuern. Außerdem entschärft die Regierung die Steuerprogression, indem sie ihren Tarif an die Inflationsrate anpasst. Davon profitieren allerdings nicht nur Familien, sondern alle Steuerzahler.
● Das bringt die Reform
Für unsere Zeitung hat der Bund der Steuerzahler bereits ausgerechnet, was die Entlastung im Einzelfall bedeutet. Neben dem höheren Kindergeld, den höheren Freibeträgen und der entschärften Progression sind in den folgenden Beispielen auch die Erhöhung des Pflegebeitrags zum Jahreswechsel und die niedrigeren Beiträge zur Arbeitslosenkasse mit berücksichtigt:
Ein kinderloser Single mit 30 000 Euro brutto im Jahr verdient danach im nächsten Jahr 235 Euro mehr netto, also knapp 20 Euro im Monat.
Eine Familie mit zwei Kindern, einem Alleinverdiener und 36 000 Euro Jahresbrutto kann künftig 414 Euro mehr pro Jahr ausgeben. Monatlich sind das etwa 35 Euro mehr.
Eine zwei Kindern und brutto im Jahr wird 2019 um 496 Euro entlastet, das sind etwas mehr als 41 Euro pro Monat.
● Das muss man wissen
Der große Wurf, von dem der Csu-finanzexperte Hans Michelbach spricht, ist in weiten Teilen keine Eigenleistung der Koalition, sondern eine politische Pflichtaufgabe. Wenn die Lebenshaltungskosten steigen, ist die Bundesregierung verpflichtet, die Steuerfreibeträge entsprechend anzuheben. Ein Beispiel: Der Kinderfreibetrag erhöht sich im kommenden Jahr um 192 Euro. Zu einer Erhöhung um 108 Euro ist die Regierung per Gesetz verpflichtet, 84 Euro legt die Koalition quasi noch als Zuckerl drauf.
● Das soll noch kommen
Eine weitere Erhöhung des Kindergeldes haben Union und SPD versprochen, aber noch nicht beschlossen. Nach den bisherigen Plänen soll es Anfang 2021 noch einmal um 15 Euro pro Monat steigen. Ob jemand mit dem Kindergeld besser fährt oder mit dem Freibetrag, prüft das Finanzamt bei der Steuererklärung automatisch – beides dient dazu, das Existenzminimum abzusichern. Nach einer gängigen Faustregel liegt die Entlastung durch den Freibetrag bei alleinstehenden Eltern ab einem zu versteuernden Einkommen von 30000 Euro im Jahr über dem ausgezahlten Kindergeld, für Eheleute ist der Freibetrag ab einem Einkommen von etwa 60000 Euro die attraktivere Variante. Bruttoeinkommens steigen, Beitragszahler ohne Kinder müssen dann 3,3 Prozent zahlen.
In der Rentenversicherung gibt es diese Differenz nicht. „Menschen, die sich für Kinder entscheiden, tun das nicht wegen ihrer Alterssicherung“, sagt der Grünen-rentenexperte Markus Kurth. Das werde auch immer so bleiben. „Wer die Rente stabil halten will, schafft das nicht, indem er Kinderlose bestraft, die aus unterschiedlichsten Gründen kinderlos geblieben sind.“In der gesetzlichen Krankenversicherung andererseits sind Kinder bis zu einem gewissen Alter über ihre Eltern beitragsfrei mitversichert – Kinderlose finanzieren auf diese Weise also auch indirekt die Gesundheitsleistungen für Familien mit.
Werden Kinderlose bestraft, wenn sie höhere Beiträge zahlen? Oder werden nicht vielmehr Eltern doppelt bestraft, wenn sie in den Sozialversicherungen ebenso hoch belastet werden und zugleich durch ihre Kinder und ihre Erziehungsleistung die Zukunft der Versicherungen garantieren? Darüber wogt schon seit Jahrzehnten ein Streit. Dass Kinderlose schon heute in der Pflegeversicherung mehr zahlen, geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2001 zurück. Die Karlsruher Richter verpflichteten damals den Gesetzgeber, die Erziehungsleistung von Familien im System der Pflegeversicherung anzuerkennen und dabei Eltern in der aktiven Familienphase zu entlasten.