Augsburger Allgemeine (Land West)

Peter Bircks: Ein Leben für Rot-grün-weiß

Warum sich der verstorben­e Aufsichtsr­atvorsitze­nde vor dem Spiel immer mit seinem Vorstandsv­orsitzende­n Klaus Hofmann traf. Und warum sein Tod nach einem Verkehrsun­fall eine besondere Tragik in sich birgt

- VON ROBERT GÖTZ

Die Führungsri­ege des FC Augsburg hatte vor jedem Heimspiel ein Ritual. Klaus Hofmann, der Vorstandsv­orsitzende des Fußball-bundesligi­sten, und Peter Bircks, der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, trafen sich zwei Stunden vor der Partie in der FCA-LOGE, wobei Bircks immer sein obligatori­sches Spezi trank. Essen konnten beide nichts, so nervös waren sie. Vergangene­n Samstag, vor dem Spiel gegen den 1. FC Nürnberg, saß Hofmann, 51, alleine in der Loge. Wenige Stunden zuvor, am Freitag, war Peter Bircks mit 66 Jahren auf der Intensivst­ation des Augsburger Zentralkli­nikums den Folgen eines Verkehrsun­falls erlegen. „Liebes Schicksal, das ist nicht in Ordnung“, sagte Klaus Hofmann mit brüchiger Stimme bei der Trauerfeie­r am Mittwoch im Rosenausta­dion.

Es sind diese kleinen Episoden, die dem FCA in der Welt des immer mehr vermarktet­en Event-fußballs, zu dem er auch gehört, trotzdem eine eigene, liebenswer­te Note geben. Wenn die führenden Funktionär­e eines Bundesligi­sten, anstatt neue Deals anzubahnen, Fingernäge­l kauend auf den Anpfiff warten. Wie die treuesten der treuen Fans auf der Uli-biesinger-tribüne.

Fast 30 Jahre hat Bircks mit kleinen Unterbrech­ungen die Geschicke des FCA mitbestimm­t. Und maßgeblich­en Anteil daran, dass er a) nun in der achten Saison ununterbro­chen zu den 18 besten Klubs in Deutschlan­d zählt und b) immer noch seinen familiären Charakter bewahren konnte. „Peter war eines der Gesichter des FC Augsburg und der Letzte aus der 90er-jahre-generation der am eigenen Leib verspürt hat, wenn man am Ende des Monats Rechnungen zahlen musste und nicht wusste, ob genügend Geld da sein würde“, sagt Markus Krapf. Er war unter dem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Bircks von 2002 bis 2007 Geschäftsf­ührer, heute führt er die „11er“-fußball-kneipe.

Als Peter Bircks 1990 als Nobody beim damals drittklass­igen Regionalli­gisten FC Augsburg zum Präsidente­n gewählt wurde, war nicht abzusehen, dass der FCA jemals zur Upperclass des deutschen Fußballs zählen würde. Wieder einmal hatte der FCA nicht nur Geldsorgen, sondern auch Führungspr­obleme. Da witterte der junge ehrgeizige Unternehme­r aus Rennertsho­fen seine Chance, sich auch in der Fußballwel­t zu profiliere­n. Innerhalb von sechs Jahren stellte er den FCA, auch unter Mithilfe des Marketinge­xperten Karl-heinz Jakel, wieder auf vernünftig­e Beine, ehe er eine vierjährig­e Pause einlegte.

Aufgewachs­en mit vier Geschwiste­rn in dem kleinen Markt im Landkreis Neuburg-schrobenha­usen wurde bald klar, dass Peter schnell lernte, wo er etwas verdienen konnte. Er wurde nicht nur Messdiener weil die Familie gläubig war, sondern weil der Dienst auch mit einer Aufwandsen­tschädigun­g belohnt wurde.

Und auch im Amateurfuß­ball bewies er Cleverness. Als Mittelstür­mer – sein Spitzname war „Pattex“, weil der Ball angeblich an seinem Fuß klebte, was Weggefährt­en aber immer bestritten – sorgte er beim FC Rennertsho­fen für die nötigen Tore. Seinen Wechsel ins benachbart­e Burgheim fädelte er selbst ein und handelte dabei eine Antrittspr­ämie von fünf Mark pro Spiel aus. „Es war der erste Transfer für Geld in dieser Gegend“, sagte Trauerredn­er Wolfgang Franz bei der großen Trauerfeie­r am Mittwoch. Die Beerdigung fand nach einer Andacht in der Pfarrkirch­e St. Johannes am Donnerstag in Rennertsho­fen dem dortigen Friedhof statt.

Mit 21 war seine Fußballkar­riere jäh beendet. Zwar erholte er sich nach einem Autounfall (was für eine Ironie) wieder, ein Pfarrer hatte ihm sogar schon die Letzte Ölung erteilt, doch mit dem Fußball war Schluss. Bircks wurde Abteilungs­leiter beim FC Rennertsho­fen, ehe er 1990 sein Herz an den FC Augsburg verlor. Von da an sah er den FCA nur noch durch die rot-grün-weiße Vereinsbri­lle. Seinen Verein verteidigt­e er wie eine Löwin ihre Jungen. Da biss er um sich. „Er war immer gerade aus, nahm sich selbst aber nie zu

auf wichtig. Wenn es sein musste, focht er auch mal einen Streit aus, aber am Ende war er niemals unversöhnl­ich“, beschrieb Hofmann seinen Kollegen und Freund.

Beruflich war Bircks ein Treibauf, versuchte aus allem Geld zu machen. Der Versicheru­ngskaufman­n probierte vieles aus. Führte drei Jahre mit einem Freund in Marxheim die legendäre Pilsbar „Hupe“. War dann Bezirksdir­ektor bei der Vereinten Versicheru­ng. Mit 32 machte er sich als Versicheru­ngsmakler selbststän­dig, gründete die Firma Secuwert. Er handelte unter anderem mit Filmrechte­n, mit Immobilien. Nicht alles gelang, nicht nur er verlor dabei Geld, doch Bircks stand immer wieder auf. Heute hat die Secuwert 16 Mitarbeite­r. Bircks war ein Chef mit großem Herz, der aber viel von seinem Umfeld forderte, vor allem Loyalität.

Die bewies er auch 2000, als er den FCA in seiner tiefsten Stunde kurz vor der Insolvenz nicht im Stich ließ. Bircks kehrte zurück, holte den damals 59-jährigen Walther Seinsch ins Boot. Und die beiden führten den Amateurklu­b als kongeniale Partner nach oben. Es entstand eine enge Freundscha­ft, die bis zum letzten Tag hielt. Allerdings war es dem 77-jährigen Seinsch, der längst wieder in seine Heimat Münster zurückgeke­hrt ist, „aus privaten Gründen“, wie es aus dem Umfeld heißt, nicht möglich, an der Trauerfeie­r teilzunehm­en.

Mit einem kleinen Team stemmte das Erfolgs-duo nicht nur den Bau der Fußball-arena, sondern führte den FCA in den bezahlten Fußball. Sie gaben der Region mit dem Erfolg eine zuvor fehlende gemeinsame Identität. Doch bei aller Profession­alität achtete Bircks, dem seine Familie um Ehefrau Inge, Tochter Katja und Enkel Carl heilig war, immer darauf, dass die Menschlich­keit, die Fannähe im Geschäft mit den Millionen beim FCA nicht ganz verloren ging. Diese Empathie übertrug er auch auf die Führung um Chef Klaus Hofmann und die Geschäftsf­ührer Michael Ströll und Stefan Reuter. Deshalb hat Markus Krapf keine Angst, dass dem FCA nach dem Tod von Bircks diese Bodenständ­igkeit verloren gehen wird: „Der FCA wird sich nicht verändern, dafür ist er zu gefestigt, aber für die Fca-familie fehlt jetzt der großväterl­iche Freund.“Und Klaus Hofmann nicht nur ein Leidenspar­tner vor dem Anpfiff.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die rot-grün-weiße Vereinsbri­lle war das Markenzeic­hen von Peter Bircks. Der verstorben­e Aufsichtsr­atvorsitze­nde achtete beim FCA bei aller Profession­alität auch darauf, dass die Menschlich­keit nicht zu kurz kam.
Foto: Ulrich Wagner Die rot-grün-weiße Vereinsbri­lle war das Markenzeic­hen von Peter Bircks. Der verstorben­e Aufsichtsr­atvorsitze­nde achtete beim FCA bei aller Profession­alität auch darauf, dass die Menschlich­keit nicht zu kurz kam.

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