Augsburger Allgemeine (Land West)
Streit über Chlor geht in die nächste Runde
Das Trinkwasser in Dinkelscherben wird noch immer desinfiziert. Dabei ist die Gemeinde der Meinung, dass das nicht notwendig wäre. Das Gesundheitsamt sieht das anders. Nun gibt es eine neue Entwicklung
Dinkelscherben Keime oder keine? Diese Frage beschäftigt die Marktgemeinde schon seit einer ganzen Weile. Denn nach wie vor wird das Leitungssystem von Dinkelscherben gechlort. Die Gemeinde ist der Meinung, dass die Chloranordnung rechtswidrig ist, und klagt deshalb vor dem Verwaltungsgericht. Nach Auskunft des Landratsamtes soll noch so lange gechlort werden, bis eine sogenannte Risikoanalyse vorliegt und geprüft wurde. In einem Schreiben des Bürgermeisters Edgar Kalb heißt es nun, dass diese Analyse bereits vorliege. Das Landratsamt sieht das aber anders.
Im Mai fand das Staatliche Gesundheitsamt in einer Wasserprobe aus einem der beiden Hochbehälter der Oberschöneberger Wassergruppe in Breitenbronn einen coliformen Erreger. Weil die Behörde noch weitere Mängel fand, wurde Anfang Juni eine Abkochanordnung für die beiden Wassergruppen Oberschöneberg und Dinkelscherben herausgegeben. Damals hieß es: Die Trinkwasserversorgung in beiden Dinkelscherber Netzen entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und sei hygienisch bedenklich. Eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung sei nicht auszuschließen. Die Marktgemeinde verwies auf eigene Proben, bei denen im Dinkelscherber Netz keine Keime gefunden wurden.
Als entscheidend für ein mögliches Ende der Chlorung gilt nun die Zustands- und Risikoanalyse der Stadtwerke. Darin soll untersucht werden, ob die verschiedenen Bereiche der Wasserversorgung – also Gewinnung, Aufbereitung, Speicherung und Verteilung – den jeweiligen gesetzlichen und technischen und hygienischen Anforderungen entsprechen, welche Risiken und Gefährdungen für die jeweilige Wasserversorgung bestehen. Außerdem wird geprüft, mit welchen Maßnahmen die Risiken und Ge- fährdungen minimiert werden können.
In dem Schreiben des Bürgermeisters, das an die zuständigen Behörden adressiert ist, spricht er von der „nunmehr vorliegenden Risikoanalyse Dinkelscherben“. Auf Nachfrage teilt das Landratsamt allerdings mit, dass diese entscheidende Analyse nicht vorliege. Bislang seien vonseiten der Gemeinde nur
oder
ausgeräumt Auszüge daraus mündlich vorgetragen worden. Das, erklärt Kalb, sei bei einem Treffen im Dinkelscherber Rathaus in der vergangenen Woche geschehen. Er räumt ein, dass die vollständige Analyse auch der Gemeinde zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Allerdings gebe es einen Vorabzug, in dem die wesentlichen Ergebnisse stehen sollen. Die habe man bei einem runden Tisch mit Vertretern der Gemeinde sowie der zuständigen Behörden besprochen. Erst gestern Nachmittag habe die Gemeinde die vollständige Analyse an die zuständigen Behörden geschickt. Zu einem Ergebnis sei es bei dem stundenlangen Gespräch aber gekommen.
Im Kern geht es um die Frage, ob die Anordnung zur Chlorung im Versorgegebiet Dinkelscherben rechtens war. Das Landratsamt begründet die Entscheidung damit, dass aufgrund der gefährlichen Keime, die im Versorgungsbereich Oberschöneberg gefunden wurden, auch eine Gefährdung der Gesundheit durch den Gebrauch des Trinkwassers in Dinkelscherben nicht ausgeschlossen werden konnte. Außerdem seien im weiteren Verlauf der Untersuchungen auch Keime im Dinkelscherber Gebiet gefunden worden. Die Gemeinde verweist allerdings auf eigene Proben, bei denen keine Keime gefunden wurden.
Seit Mitte Juni wird das Trinkwasser in Dinkelscherben gechlort. Als im Netz stabile Chlorwerte vorlagen, wurde die Abkochanordnung aufgehoben. Bürgermeister Kalb schätzt die Kosten zur Chlorung mittlerweile auf weit über 100000 Euro. Geld, das aus seiner Sicht nicht hätte ausgegeben werden müssen. Außerdem sei der „Irrsinn der Chlorerei“für anfällige Menschen gesundheitsgefährdend. Kalb gehe davon aus, dass sich das Trinkwasserproblem noch über Monate hinziehen könne. Einen Termin für das anstehende Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht gebe es noch nicht.