Augsburger Allgemeine (Land West)
Und plötzlich Mathe-Genie
Manchmal genügt eine einzige, unbedachte Äußerung und schon hat man den Ärger an der Backe. Redselige Politiker können davon ganze Lieder singen. Über Trainer lästernde Frauen von Fußballprofis ebenso. Von Schauspielern, deren verbale Entgleisungen wochenlang ganze Klatschblätter füllen, ganz zu schweigen.
In normaleren Berufen sind unbedachte Äußerungen meistens nicht ganz so dramatisch, aber manchmal nicht minder folgenschwer. Einmal von der eigenen Schulzeit erzählt und angemerkt, dass man Leistungskurs Mathe belegt hat – schon gilt man schreibtischweit als eine Art Mathematikprofessor. Der Zusatz, dass die Noten im Zeugnis ziemlich genau das Gegenteil beweisen, wird geflissentlich überhört. Was hängen bleibt, ist: Der kann Mathe! Als mache einen die Zubereitung von Bratkartoffeln zum Sternekoch. Oder die verletzungsfreie Benutzung eines Schraubenziehers zum Maschinenbauingenieur. Die Mathe-Phobiker unter den Kollegen scheint die fehlende Kausalität nicht zu stören. Zu groß ist die Verlockung, unliebsame Rechenaufgaben dem „Experten“zu überlassen.
Nun hält sich die Komplexität der in einer Zeitungsredaktion auftauchenden Rechenaufgaben zumeist in Grenzen. In der Regel handelt es sich um simple Prozentrechnungen. Wie viele der Unfälle auf der Autobahn enden tödlich? Wie viele der Politiker im Landtag sind Frauen? Wie viele aller Kühe haben schon mal einen Menschen verletzt – unterteilt nach Tieren mit Hörnern und ohne Hörner?
Wenn der arme Taschenrechner wüsste, für was er da an machen Tagen herhalten muss, er würde augenblicklich leere Batterien vortäuschen. Und das „Mathematikgenie“der Redaktion wünscht sich, es hätte in diesem einen Moment doch besser die Klappe gehalten.