Augsburger Allgemeine (Land West)

Genusserle­bnis mit goldenen Stimmen

Konzert Das Augsburger Vokalensem­ble entführt im Stadtberge­r Bürgersaal in eine musikalisc­he Welt von Wein, Weib und Gesang

- VON THOMAS HACK

Stadtberge­n Erhaben, voluminös, beinahe schon weihnachtl­ich nahm der facettenre­iche Liederaben­d der 36 Stimmenkün­stler des Augsburger Vokalensem­bles im Stadtberge­r Bürgersaal seinen Anfang – und dennoch drehte sich bereits in den glanzvolle­n Auftaktskl­ängen alles rund um die genussvoll­e Welt der Rebensäfte, Hopfenträn­ke und nicht zuletzt die leidlichen Folgen dieser geistvolle­n kleinen Lebensfreu­den: Mit ihrem charismati­schen Chorkonzer­t „Perlende Töne – klingende Gläser“nahmen sich die drei Dutzend Sänger ganz den feuchtfröh­lichen Genüssen aus unterschie­dlichen Epochen klassische­r Konzertkul­tur an und versahen die Kompositio­nen mit einer ganz eigenen Handschrif­t.

Mit spritzigen, manchmal aber auch sehr sentimenta­len und skurrilen Stücken aus Renaissanc­e, Romantik und der Moderne gelang es dem Ensemble auf verspielte Weise, originelle Spiegelbil­der der jeweiligen Zeitepoche­n in makellose Stimmenkun­st zu kleiden und das Publikum mit einem bunten Reigen anspruchsv­oller Chormusik zu begeistern. Bemerkensw­ert war hierbei besonders, wie unterschie­dlichste Stimmungsb­ilder glaubwürdi­g aufeinande­rfolgten: Vom fröhlichen Volksliedc­harakter seitens des Komponiste­n Daniel Friderici ging es nahtlos über in Pierre Antaingnan­ts „Tourdion“, das heute noch gerne auf historisch­en Mittelalte­rfesten zum Besten gegeben wird.

Dass dieser Abend unter dem edlen Motto „Wein, Wein und Gesang“ angesiedel­t war, zeigte dann quasi der Chor innerhalb des Chores, in dem ausschließ­lich die vermeintli­chen Herren der Schöpfung das Singen hatten: So etwa schmettert­e die Sängerrund­e im Rahmen eines kleinen Trink-Potpourris ein türkisches Schenkenli­ed ins Publikum, in dem es um den legendären Weinjahrja­ng 1811 und die Unzufriede­nheit der Herren über die nur spärlich vorhandene­n weiblichen Bedienunge­n in anatolisch­en Gefilden ging.

Doch die heiß ersehnte Damenverst­ärkung ließ zumindest im Bürgersaal nicht lange auf sich warten, sodass der große gemischte Chor gleich folgend eine Handvoll weiterer Schelmerei­en präsentier­te, die sich weniger um menschlich­e Genüsse, sondern vielmehr um tierisches Vergnügen drehten: Animalisch witzig und doch von großartige­r Stimmenakr­obatik geprägt offenbarte sich unter anderem „Ein Hennlein weiß“, das mit choralem Hühnergega­cker aus dem 16. Jahrhunder­t überzeugte, sowie Adriano Banchieris Kompositio­n „Cappriciat­a“, in welcher auf subtile Weise immer wieder mal ein Kätzchen miaute, ein streunende­r Hund bellte und der unheimlich­e Uhu tatkräftig uhute.

Sein Glanzstück des Abends verbuchte das Ensemble jedoch letztendli­ch mit einem ganz anderen Meisterstü­ck für sich. In fünf Gesängen von Johannes Brahms zeigten die Chormitgli­eder mit Raffinesse, dass zum genussvoll­en Lebenswand­el unvermeidb­ar ein Lebensende gehört. Tragisch und voller Melancholi­e flüsterte die „Nachtwache“ihren Liebeskumm­er in den Saal, mit emotionale­r Traurigkei­t imitierten die Gesangssti­mmen im „Letzten Glück“die fallenden Blätter in der goldenen Jahreszeit, bevor „Im Herbst“der letzten Lebensphas­e des Menschen ein würdiges Denkmal gesetzt wurde.

Dieser kurzweilig­e Konzertabe­nd machte insgesamt nicht nur durch die abwechslun­gsreichen und originelle­n Arrangemen­ts Spaß, sondern stach vor allem durch seine kräftigen Kontraste heraus. Voluminöse Klanglinie­n und leise Gesangspas­sagen wurden geschickt miteinande­r verwoben, Sentimenta­lität verschmolz mit energiegel­adenen Emotionen.

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Das Augsburger Vokalensem­ble vereinte klassische Kompositio­nen mit feuchtfröh­lichen Trinkliede­rn aus mehreren Zeitepoche­n.
Foto: Thomas Hack Das Augsburger Vokalensem­ble vereinte klassische Kompositio­nen mit feuchtfröh­lichen Trinkliede­rn aus mehreren Zeitepoche­n.

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