Augsburger Allgemeine (Land West)
Das bairische Nirwana
Kabarett Harry G bringt das bairische Lebensgefühl im Kongress am Park auf die Bühne
Unter seinem bürgerlichen Namen Markus Stoll kennen ihn wohl nur die wenigsten. Als Schauspieler schlüpft er in Gastrollen, zum Beispiel als „Nibbsy“bei „München 7“oder als „Baslinger“bei „Dahoam is Dahoam“. Bei „Grünwald Freitagscomedy“ist er immer wieder unter seinem eigentlichen Namen zu Gast, unter dem man ihn kennt: Künstlername „Harry G“– ohne Komma, ohne Punkt. Harry ist aber nicht (nur) deswegen ein neuer Star am bayerischen Kabaretthimmel. Er spricht die jüngere Generation an, dreht Youtube-Videos, in denen er sich meist die Münchener Start-upWelt, Bussi-Bussi-Schickeria und „Ibiza-Fraktion“vornimmt. Der „Preiß“und alle anderen Nichtbayern werden zum Feindbild – natürlich immer augenzwinkernd und selbstironisch. Seine Clips werden millionenfach in den sozialen Netzwerken geklickt und geliked und haben ihre Fans auch außerhalb Bayerns. So wie man ihn von Youtube kennt, so gibt er sich in seinem Programm: authentisch und unverbraucht. Nur ist das dann nicht in Videolänge, sondern dauert mit Pause zwei Stunden.
Am Donnerstagabend trat Harry G im ausverkauften Kongress am Park auf. Das Publikum bestand überwiegend aus Studenten, ab und zu „verirrten“sich auch Leute des älteren Semesters im Kongress am Park. Eigentlich ist im Programm „#HarrydieEhre“für jeden was dabei, vorausgesetzt man kommt mit dieser Art von Humor klar. Harry G ist schon sehr derb – ein älterer Mann im Publikum kommentierte während der Vorstellung: „Der darf das.“Derb, aber auf eine gewisse Art hat das auch Charme. Harry verkörpert das Feingefühl des UrBayern, für den alle anderen entweder „Deppen“oder „Rindviecher“sind – selbstredend ist der Franke da der „Ossi Bayerns“. „Wir Bayern haben den geilsten Dialekt der Welt“– dafür erntet Harry G großen Applaus. Es gebe drei Formen von „servus“, welche durch den Tonfall eine andere Bedeutung haben: zur Begrüßung, zum Abschied und wenn jemand sich schleichen soll.
„Gwampert dahocken und gscheid daherredn.“Der Bayer ist der Erfinder des Buddhismus, so Harry G. Das bairische Lebensgefühl sei einzigartig, das bairische Nirwana das Ziel: „Griabig sein“– der höhere Bewusstseinszustand des Bayern. Natürlich muss der Bayer auch mit der Zeit gehen. Harry G nimmt einen mit in die digitale Gegenwart. Harry G hält den Zuschauern den Spiegel vor, wie Tinder – das „Russisch-Roulette für Geschlechtskrankheiten“– und Pseudo-Ernährungswissenschaften ihren Alltag bestimmen. Er erzählt von veganen Grillpartys und wie der Brunch den altehrwürdigen Frühschoppen überholt hat.
Dass Harry G bei den jungen Leuten so gut ankommt, ist ein Beweis dafür, dass man sich um den kulturellen Erhalt des bayerischen Lebensgefühls keine Sorgen machen muss. In der heutigen Zeit, in der die Gesellschaft bezüglich ihrer Gendergerechtigkeit hinterfragt wird, wirkt Harry Gs Humor befreiend. Natürlich darf man nicht alles ernst nehmen, ganz sicher muss man zwischen den Zeilen lesen. Aber es stimmt schon, was er in einem Video über sich selbst gesagt hat, dass er Menschen studiere. Seinen Auftritt bestand er mit summa cum laude.