Augsburger Allgemeine (Land West)

Das bairische Nirwana

Kabarett Harry G bringt das bairische Lebensgefü­hl im Kongress am Park auf die Bühne

- VON OLIVER WOLFF

Unter seinem bürgerlich­en Namen Markus Stoll kennen ihn wohl nur die wenigsten. Als Schauspiel­er schlüpft er in Gastrollen, zum Beispiel als „Nibbsy“bei „München 7“oder als „Baslinger“bei „Dahoam is Dahoam“. Bei „Grünwald Freitagsco­medy“ist er immer wieder unter seinem eigentlich­en Namen zu Gast, unter dem man ihn kennt: Künstlerna­me „Harry G“– ohne Komma, ohne Punkt. Harry ist aber nicht (nur) deswegen ein neuer Star am bayerische­n Kabaretthi­mmel. Er spricht die jüngere Generation an, dreht Youtube-Videos, in denen er sich meist die Münchener Start-upWelt, Bussi-Bussi-Schickeria und „Ibiza-Fraktion“vornimmt. Der „Preiß“und alle anderen Nichtbayer­n werden zum Feindbild – natürlich immer augenzwink­ernd und selbstiron­isch. Seine Clips werden millionenf­ach in den sozialen Netzwerken geklickt und geliked und haben ihre Fans auch außerhalb Bayerns. So wie man ihn von Youtube kennt, so gibt er sich in seinem Programm: authentisc­h und unverbrauc­ht. Nur ist das dann nicht in Videolänge, sondern dauert mit Pause zwei Stunden.

Am Donnerstag­abend trat Harry G im ausverkauf­ten Kongress am Park auf. Das Publikum bestand überwiegen­d aus Studenten, ab und zu „verirrten“sich auch Leute des älteren Semesters im Kongress am Park. Eigentlich ist im Programm „#HarrydieEh­re“für jeden was dabei, vorausgese­tzt man kommt mit dieser Art von Humor klar. Harry G ist schon sehr derb – ein älterer Mann im Publikum kommentier­te während der Vorstellun­g: „Der darf das.“Derb, aber auf eine gewisse Art hat das auch Charme. Harry verkörpert das Feingefühl des UrBayern, für den alle anderen entweder „Deppen“oder „Rindvieche­r“sind – selbstrede­nd ist der Franke da der „Ossi Bayerns“. „Wir Bayern haben den geilsten Dialekt der Welt“– dafür erntet Harry G großen Applaus. Es gebe drei Formen von „servus“, welche durch den Tonfall eine andere Bedeutung haben: zur Begrüßung, zum Abschied und wenn jemand sich schleichen soll.

„Gwampert dahocken und gscheid daherredn.“Der Bayer ist der Erfinder des Buddhismus, so Harry G. Das bairische Lebensgefü­hl sei einzigarti­g, das bairische Nirwana das Ziel: „Griabig sein“– der höhere Bewusstsei­nszustand des Bayern. Natürlich muss der Bayer auch mit der Zeit gehen. Harry G nimmt einen mit in die digitale Gegenwart. Harry G hält den Zuschauern den Spiegel vor, wie Tinder – das „Russisch-Roulette für Geschlecht­skrankheit­en“– und Pseudo-Ernährungs­wissenscha­ften ihren Alltag bestimmen. Er erzählt von veganen Grillparty­s und wie der Brunch den altehrwürd­igen Frühschopp­en überholt hat.

Dass Harry G bei den jungen Leuten so gut ankommt, ist ein Beweis dafür, dass man sich um den kulturelle­n Erhalt des bayerische­n Lebensgefü­hls keine Sorgen machen muss. In der heutigen Zeit, in der die Gesellscha­ft bezüglich ihrer Gendergere­chtigkeit hinterfrag­t wird, wirkt Harry Gs Humor befreiend. Natürlich darf man nicht alles ernst nehmen, ganz sicher muss man zwischen den Zeilen lesen. Aber es stimmt schon, was er in einem Video über sich selbst gesagt hat, dass er Menschen studiere. Seinen Auftritt bestand er mit summa cum laude.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Bayerische­s Feingefühl brachte Harry G im Kongress am Park auf die Bühne. Denn die anderen, das sind entweder „Deppen“oder „Rindvieche­r“.
Foto: Michael Hochgemuth Bayerische­s Feingefühl brachte Harry G im Kongress am Park auf die Bühne. Denn die anderen, das sind entweder „Deppen“oder „Rindvieche­r“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany