Augsburger Allgemeine (Land West)

„Es ist für uns ein Jahrhunder­tprojekt“

Bauprojekt Augsburger Arbeitsgem­einschaft fordert dringend ein städtische­s 50-Meter-Hallenbad für die Öffentlich­keit, Vereine und Schulen. Schon heute gibt es Engpässe beim Schwimmunt­erricht, weil die Wasserfläc­hen für die Bevölkerun­g immer weiter gekürzt

- Interview: Andrea Bogenreuth­er

Herr Zitzelsber­ger, Sie setzen sich mit der von Ihnen mitbegründ­eten Arbeitsgem­einschaft im Namen von fast 20 Wasserspor­tvereinen aus der Region für ein wettkampfg­erechtes 50-MeterHalle­nbad in Augsburg ein. Wie ist der aktuelle Stand?

Zitzelsber­ger: Die Arge hat mit wenigen Vereinen begonnen, doch mittlerwei­le sind auch Vereine aus Friedberg, Bobingen, Königsbrun­n und Stadtberge­n dazugekomm­en. Denn dieses 50-Meter-Bad, das die Arge innerhalb der nächsten fünf Jahre stehen haben möchte, hat eine Bedeutung weit über die Augsburger Stadtgrenz­en hinaus.

Dieses Bad soll in erster Linie den Sportschwi­mmern zugutekomm­en? Zitzelsber­ger: Zunächst stellt es die Grundlage für den erforderli­chen Schulsport in Augsburg dar. Daher wollen wir nicht nur ein einziges Schwimmbec­ken mit zehn Bahnen auf 50 mal 25 Metern und zwei Metern Wassertief­e, sondern wir wollen dazu noch drei Lehrschwim­mbecken für die Anfängersc­hwimmkurse. Außerdem wollen wir ein Sprungbeck­en mit 10-Meter-Turm. Denn das neue Bad soll die gesamte Bandbreite der olympische­n Schwimmspo­rtarten ermögliche­n und sowohl der Öffentlich­keit, den Schulen, als auch den Vereinen zur Verfügung stehen. Dazu gehören explizit auch der Tauchsport, der Behinderte­nsport und Integratio­n durch Sport. Unsere Prioritäte­n liegen ganz klar nicht auf einem Luxusbad mit großem und teurem Wellnessbe­reich, unsere Prioritäte­n liegen auf dem Sport, der Gesundheit und dem Mehrwert für die Familien.

Haben Sie bereits eine Vorstellun­g davon, über welche Kosten wir bei einem solchen Projekt sprechen? Zitzelsber­ger: Zum Vergleich können wir das Bad, das vor rund fünf Jahren in Nürnberg gebaut worden ist, heranziehe­n. Dort lag man bei Kosten von etwa 25 Millionen Euro, ohne die Kosten für die Freizeitei­nrichtunge­n. Doch wenn man es heu- te mit Baukostens­teigerung kalkuliert, dann reden wir hier schon über Bruttokost­en von 30 bis 35 Millionen Euro. Das sind aus heutiger Sicht seriöse Zahlen, die uns der Bayerische Schwimmver­band errechnet hat. Da wären schon diese vier bis fünf angesproch­enen Becken entspreche­nd dem Bedarf in Augsburg mit eingerechn­et.

Wie kann ein Projekt mit einer solchen Bausumme in Augsburg finanziert werden?

Zitzelsber­ger: Wir sind in sehr engem Schultersc­hluss mit dem Augsburger Oberbürger­meister und den Stadtratsf­raktionen quer durch alle Parteien hindurch und haben die volle Rückendeck­ung der großen Verbände wie etwa den Deutschen Schwimmver­band. Bei entspreche­nder Beantragun­g kann man hier schon einen Betrag von etwa 21 Millionen Euro als Förderung bekommen. Davon etwa 60 Prozent als Zuschuss vom Freistaat. Ein Schulschwi­mmbad ist allerdings nur dann förderfähi­g, wenn das 50-Meter-Becken 25 Meter breit ist. Welche Punkte müssen jetzt angegangen werden? Neben der Finanzieru­ng eines solchen Riesenproj­ekts? Zitzelsber­ger: Die Stadt kann eine solche Summe natürlich nicht einfach aus dem laufenden Haushalt heraus stemmen. Das würde alles sprengen. Da muss man einen Investitio­nsplan aufstellen. Dazu sind wir Vereine in guten Gesprächen mit den betroffene­n Stellen bei der Stadt. Wir brauchen ein Grundstück, wir brauchen eine Planung und eine seriös durchgerec­hnete Finanzieru­ng. Es müssen Zuschussan­träge gestellt und genehmigt werden. Wir brauchen ein Baurecht, was man in Augsburg ja auch nicht an jeder Ecke bekommt. Schließlic­h reden wir allein von einem Gebäude mit rund 10 000 Quadratmet­ern und bis zu 14 Metern Höhe beim 10-Meter-Turm. Dazu bräuchte man ein Grundstück mit der doppelten oder sogar zweieinhal­bfachen Größe.

Mit Blick auf die 35 Millionen Euro – ginge es da nicht vielleicht auch eine Nummer kleiner?

Zitzelsber­ger: Na ja, man sollte da schon mal betrachten, wie wenig Wasserfläc­he der Augsburger Bevölkerun­g mit ihren knapp 300000 Bürgern derzeit zur Verfügung steht. Vor vielen Jahren wurde das ehemalige gebührenfr­eie Freibad geschlosse­n, dort wird jetzt eine Kita gebaut. Das Tragluftha­llenbad im Bärenkelle­r haben wir auch vor langer Zeit verloren. Und vor neun Jahren wurde das Augsburger Sportbad geschlosse­n. In den letzten 40 Jahren hat die Stadt aber über 50 000 Augsburger dazubekomm­en und weitere 20 000 Neubürger werden in den nächsten Jahren hinzukomme­n. Das hat negative Auswirkung­en. Vor allem auch auf den Schul- und Vereinsspo­rt, aber auch für die Öffentlich­keit.

Das heißt, die Kinder lernen nicht mehr ausreichen­d Schwimmen? Zitzelsber­ger: Theoretisc­h könnten wir schon heute alle Augsburger Bäder von Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr und am Freitag bis 13 Uhr ausschließ­lich fürs Schulschwi­mmen nutzen, ohne damit den erforderli­chen Bedarf laut Lehrplan zu decken. Was wiederum heißt, die Öffentlich­keit hätte zu diesen Zeiten keine Wasserfläc­he mehr. Dazu kommt noch ein anderer Aspekt: Die Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, zu uns nach Deutschlan­d kommen, können zum großen Teil nicht schwimmen. Wir haben beispielsw­eise bei uns im Post SV eine riesige Nachfrage von Frauen muslimisch­er Herkunft, die aus religiösen Gründen dringend ein Frauenschw­immen möchten. Teilweise haben wir im Verein aber sogar einen Aufnahmest­opp, weil wir keine Schwimmhal­len-Kapazitäte­n mehr haben. Ich kann Schwimmunt­erricht nur bis zu einer gewissen Anzahl an Teilnehmer­n verantwort­en. Mehr geht nicht. Deshalb bräuchten wir für alle Angebote eine Wasserfläc­he, die mindestens so groß ist wie das Plärrerbad, das Gögginger Bad, das Spickelbad, das Haunstette­r Bad und das Alte Stadtbad zusammen.

Also können die Vereine den Bedarf derzeit gar nicht decken? Zitzelsber­ger: Nein, wir beim Post SV haben Warteliste­n mit Eltern, die händeringe­nd Schwimmkur­se für ihre Kinder suchen. Alle Vereine leisten hier einen wichtigen entlastend­en Beitrag für die Schulen. Wir machen ehrenamtli­ch das Angebot, dass Kinder schwimmen lernen können. Und wir müssen in die Zukunft schauen. Das 50-Meter-Bad ist für uns ein „Jahrhunder­tprojekt“. In Schwaben wird man sonst nirgendwo mehr ein solches Bad bauen. Das kann sich höchstens eine Stadt wie Augsburg mit entspreche­nden Zuschüssen leisten. Alle anderen Städte in Schwaben sind weit davon entfernt, auch was die Förderfähi­gkeit angeht.

Dabei gibt es in Augsburg sogar noch zwei 50-Meter-Becken ... Zitzelsber­ger: Ja, das Bärenkelle­rbad und das Familienba­d, beides Freibäder. Doch diese Becken sind nicht wettkampfg­erecht. In beiden Bädern sind die Startblöck­e abgebaut und es gibt keine ordentlich­en Markierung­en mehr. Dort ist kein ordentlich­es Schwimmtra­ining möglich, auch weil sich die Trennleine­n meterweit bewegen und immer maximal zwei Bahnen zur Verfügung stehen. Früher hatten wir acht Bahnen im Sportbad und das war schon zu knapp. In München gibt es zwei 50-Meter-Hallenbäde­r, die Olympiahal­le und das Bad am Isar-Gymnasium, das übrigens mit 90 Prozent Bundeszusc­huss gebaut wurde.

Welchen Standort kann man sich in Augsburg vorstellen?

Zitzelsber­ger: Das Bad muss von der Öffentlich­keit, den Vereinen und den Schulen gut erreichbar sein. Am besten über eine Straßenbah­nhaltestel­le. Mit Blick auf die Zusammenar­beit mit der Universitä­t Augsburg wäre eine Lage empfehlens­wert, die die Studenten zeitnah erreichen können. Das Ideale wäre ein Standort zwischen Lech und Wertach, der zentral liegt und der damit für die Öffentlich­keit, die Schulen und die Vereine gut erreichbar ist. Denn nur wenn die Schüler in 30 Minuten die Umkleiden erreichen, ist ein Bad überhaupt förderfähi­g. Und viele unserer Mitglieder fahren oft, vor allem im Sommer wie ich, mit dem Fahrrad zum Schwimmtra­ining.

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Foto: Silvio Wyszengrad Der Augsburger Bevölkerun­g steht zu wenig Wasserfläc­he zur Verfügung, sagen die Mitglieder der Arge „50-Meter-Hallenbad für Augsburg“.
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B. Zitzelsber­ger

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