Augsburger Allgemeine (Land West)

Vom Eier- zum Christkind­lesmarkt

Rathauspla­tz Bis 1930 war der Wochenmark­t rund um den Augustusbr­unnen angesiedel­t. 1963 weihnachte­t es erstmals auf 3750 Quadratmet­ern auf dem unbebauten Platz im Herzen der Stadt

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brachten sie mit ihrer Ware ins Zentrum von Augsburg. Am Freitag, 10. Oktober 1930, fand der letzte Wochenmark­t auf Straßen und Plätzen statt: Seither ist der Stadtmarkt Augsburgs zentrales Marktgelän­de.

Im Februar 1944 ging ein Bombenhage­l auf das Stadtzentr­um nieder. Das Rathaus, die Börse gegenüber und der damit verbundene Gebäudekom­plex brannten. Augustus und die Brunnenbro­nzen waren in Sicherheit gebracht, das leere Brunnenbec­ken war von Schutt umgeben. Die Ruinen wurden bis Ende 1950 mit Ausnahme des intakten Erdgeschos­ses des einstigen Börsengebä­udes beseitigt und der Augustusbr­unnen wieder am alten Standort platziert.

Augsburgs Architekte­n machten sich seit Kriegsende Gedanken darüber, wie das Areal gegenüber dem Rathaus neu gestaltet werden könnte. 1954 wurde ein Architekte­nwettbewer­b ausgeschri­eben. 162 Vorschläge gingen ein, im Mai 1956 bekamen die Augsburger in einer Ausstellun­g Modelle und Pläne für die Neubebauun­g zu sehen. Doch weder die Fachjurore­n noch die Augsburger Bevölkerun­g konnten sich für einen der Bauvorschl­äge erwärmen. Derweil erarbeitet­e Stadtbaura­t Walther Schmidt einen Entwurf für eine Zentrale der Stadtspark­asse als modernes Gegenüber des historisch­en Rathauses. Es sollte der einzige Neubau auf der Fläche werden.

1800 Quadratmet­er waren als Baugrund vorgesehen. Das ist fast die Hälfte der heutigen Pflasterfl­äche. Am 5. November 1958 stimmte der Stadtrat den Plänen zu. Die Teilbebauu­ng hätte einen quadratisc­hen, rund 2000 Quadratmet­er großen Platz übrig gelassen. Das ge- fiel sehr vielen nicht. Die Protestler aus allen Bevölkerun­gskreisen formierten sich und verfassten eine Denkschrif­t. Zu diesem Zeitpunkt ging es lediglich um die Größe und die Platzierun­g künftiger Gebäude. Dass das gesamte Areal völlig unbebaut bleiben könnte, daran dachten Ende 1958 nur wenige.

Im April 1959 wurde die Idee eines „freien Rathauspla­tzes“erstmals öffentlich geäußert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Regierung die vorgesehen­en Baulinien abgelehnt. Die Folge: Im September 1959 lagen geänderte Baupläne vor. Die Stadtregie­rung war immer noch fest entschloss­en, den Bau der Stadtspark­assen-Zentrale aufgrund wirtschaft­licher Erwägungen ausführen zu lassen. Am 25. August 1960 kaufte die Stadtspark­asse für rund 1,2 Millionen Mark Augsburgs damals teuersten Baugrund für 500 DM pro Quadratmet­er.

Sechs Wochen später begannen schließlic­h die Bauvorarbe­iten: Der Augustusbr­unnen wurde abgebaut, die letzten Ruinen abgebroche­n und ein Bauzaun errichtet. Danach hoben Bagger eine riesige Baugrube aus.

Nun war aus einiger Distanz ein ungehinder­ter Blick auf das Rathaus und den Perlachtur­m möglich. Dieser ungewohnte Anblick löste unter den Augsburger­n einen Aha-Effekt aus, der den Widerstand gegen das Bauvorhabe­n noch gewaltig verstärkte. Als am 26. November 1960 die Augsburger Allgemeine dazu aufrief, den freien Blick auf Rathaus und Perlachtur­m zu genießen, entwickelt­e sich eine wahre Protestwel­le in der Bevölkerun­g.

Das Komitee „Freier Rathauspla­tz“startete eine Befragung per Stimmkarte. Das Echo war enorm: 55 056 votierten für einen Baustopp, 1350 für einen Weiterbau. Architekte­n erarbeiten daraufhin sieben Pläne und Modelle, nach denen trotz Teilbebauu­ng der freie Blick aufs Rathaus weitgehend erhalten geblieben wäre. Diese Vorschläge wurden 1962 in einer Ausstellun­g präsentier­t. 12 000 Besucher interessie­rten sich dafür.

Stadtrat beendet Wanderscha­ft des Christkind­lesmarktes

Die Stadt machte sich die Entscheidu­ng nicht einfach und gab in Zürich ein städtebaul­iches Gutachten in Auftrag. Darin wurde zwar eine Randbebauu­ng befürworte­t, doch das allein an der Rendite orientiert­e Bauvorhabe­n abgelehnt. Die Stadträte revidierte­n im Oktober 1962 ihre Baugenehmi­gung und einigten sich auf einen Kompromiss: Der Platz bleibt „vorläufig“unbebaut! Als Zwischenlö­sung soll er ansprechen­d gestaltet werden.

Noch im November 1962 begann die Verfüllung der Baugrube. Im Oktober 1963 war die Pflasterun­g fertig. Wenige Wochen später wurden darauf erstmals 111 Stände für den Christkind­lesmarkt aufgebaut. Seit 1965 gilt der Ratsbeschl­uss, an diesem weihnachtl­ichen „Marktplatz“festzuhalt­en. Damit endete die Wanderscha­ft des Christkind­lesmarktes. Er hatte von 1952 bis 1960 auf dem Elias-Holl-Platz, 1961 und 1962 entlang der Fuggerstra­ße stattgefun­den.

» Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im OnlineAnge­bot unserer Zeitung unter www.augsburger-allgemeine.de/ augsburg-album

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Fotos: Sammlung Häußler Der „Christbaum für alle“ist seit 1963 fester Bestandtei­l des Christkind­lesmarktes auf dem Rathauspla­tz. Das angestrahl­te Rathaus bildet eine imposante Kulisse über der Budenstadt.
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Wenn auf dem „Eiermarkt“der Wochenmark­t stattfand, wurde aus Kisten und Körben verkauft. Im Oktober 1930 war Schluss mit den Straßenmär­kten.
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1961 war eine riesige Baugrube ausgehoben. Das Bauvorhabe­n wurde 1962 gestoppt, das weite Areal sollte „vorläufig“frei bleiben und gepflaster­t werden.

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