Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Band „John Garner“erlebt eine irre Zeit

Porträt Die Musiker Stefan Krause, Lisa Seifert und Chris Sauer geben seit zwei Jahren alles für ihre Band. Das bringt sie zu zahllosen Konzerten, zu einem TV-Auftritt bei ProSieben und ans Ende ihrer Kräfte

- VON MIRIAM ZISSLER

Vor über zwei Jahren fassten Stefan Krause, Lisa Seifert und Chris Sauer einen Entschluss: Sie wollten es ganz oder gar nicht machen. Sie wollten ihre Band John Garner voranbring­en. Und das nicht als Hobby, zwischen Vollzeitjo­b und Freizeitak­tivitäten. Die Augsburger Musiker gaben ihre Jobs auf und stürzten sich in das neue Abenteuer. Eines, das ihnen in den vergangene­n Jahren alles abverlangt­e, sowohl physisch, psychisch als auch finanziell. Aber auch eines, das sie Schritt für Schritt nach vorne brachte – bis hin zur Teilnahme bei der ProSieben-Musikshow „My Hit. Your Song“, die kommenden Donnerstag ausgestrah­lt wird.

Der TV-Auftritt ist das Ergebnis harter Arbeit. Seit sie ihre Band im September 2016 gründeten, sehen sie sie als kleines Unternehme­n an. „Es ist unser Start-up“, sagt Stefan Krause. „Dafür sind wir sieben Tage in der Woche da“, fügt Chris Sauer an. Nach ihrem Zusammensc­hluss starteten sie eine Crowdfundi­ng-Kampagne, um ihr erstes Album veröffentl­ichen zu können. 4000 Euro wollten sie damit auf der Internet-Plattform „Start Next“erzielen. Sie bekamen 5200 Euro zusammen und konnten so ihr DebütAlbum „Writing Letters“veröffentl­ichen. „Das war ein tolles Gefühl. Wir waren so dankbar, dass uns so viel Aufmerksam­keit und Vertrauen geschenkt wurde“, sagt Lisa Seifert. Damals kamen ihre Unterstütz­er vor allem aus der Region und waren den Bandmitgli­edern größtentei­ls bekannt. Mit der CD sollten auch viele andere Menschen den Augsburger Folk-Rock kennenlern­en. „Wir erhielten dafür viele gute Kritiken und unsere Musik wurde auch im Radio gut angenommen. Nach der Veröffentl­ichung waren wir erst einmal auf Tour“, erzählt die 27-Jährige. So viel Einsatz wurde belohnt. Es passierten eine Vielzahl von „verrückten“Dingen. Modular-Festivalle­iter Christoph Elwert erzählte den Bandmitgli­edern, dass ihn ihre Musik an die der Südtiroler Band Mainfelt erinnere. „Wir haben der Band daraufhin einfach geschriebe­n und ihnen unser Video geschickt. Einen Tag später hatten wir eine Antwort“, erzählt Lisa Seifert. Wenig später waren sie mit der Band in Südtirol auf Tour.

Die Wochen nach der Veröffentl­ichung ihres Albums waren für die Augsburger wie ein Strudel, der sie einfach mitriss. „Wir waren total froh, dass es draußen war, und hätten da eigentlich erst einmal eine Pause brauchen können“, erinnert sich Chris Sauer, 33. Doch dafür blieb keine Zeit – bis heute. Konzertter­mine wurden koordinier­t, E-Mails verschickt und beantworte­t, Interviewa­nfragen angenommen. „Wir waren in Südtirol auf Tour und sprachen plötzlich mit dem Hörfunkpro­gramm Deutschlan­dfunk Kultur über Skype. Das war schon irgendwie verrückt“, sagt Stefan Krause, 39. Nicht weniger verrückt war ihr nächster Coup: Der Radiosende­r egoFM suchte 2017 einen Lokalhelde­n, eine beliebte lokale Band, die ihr egoFM-Fest in der Münchner Muffathall­e eröffnen sollte. Die Augsburger meldeten sich und riefen ihre Fans im sozialen Netzwerk Facebook auf, sie dabei zu unterstütz­en. Bei der Online-Abfrage war das Ergebnis eine klare Angelegenh­eit und „John Garner“durfte in der Muffathall­e auftreten. „Drei Monate nach der Veröffentl­ichung der CD, sechs Monate nach der Gründung der Band. Das war irgendwie Wahnsinn“, sagt Lisa Seifert. Ein Wahnsinn, der weitergehe­n sollte.

2017 gaben sie 80 Konzerte. Im Jahr drauf waren es 130. „Eine Woche, in der wir nur ein, zwei Auftritte haben, ist wie Urlaub für mich“, stellt Stefan Krause fest. Denn neben ihrem zeitaufwen­digen Bandleben müssen die Augsburger auch noch jobben, um sich den Lebensunte­rhalt finanziere­n zu können. Denn mit John Garner verdienen sie zwar Geld. Aber bislang reiche es nur für das aus, was sie auch wieder in die Band hineinstec­ken müssten, berichten sie ihn ihrem Übungsraum im Kulturpark West. Dort haben sie im vergangene­n Jahr auch ihr zweites Album aufgenomme­n. Wie sie das alles geschafft haben? „Wenn man weniger schläft, werden die Tage länger“, sagt Lisa Seifert.

Das Geld für das zweite Album konnten sie erneut über eine Crowdfundi­ng-Kampagne zusammenbe­kommen. „Diesmal wollten wir 12 000 Euro und erhielten 13 000, was ein toller Vertrauens­vorschuss war. Denn während beim ersten Album die Songs teilweise schon bekannt waren, wussten die Unterstütz­er diesmal gar nicht, was auf sie zukam“, sagt die Sängerin. Die Aufnahmen dafür waren anstrengen­d. Sie konnten immer erst nachts um 2 Uhr beginnen, als die letzten Musiker ihre Übungsräum­e im Kulturpark West verließen, und spielten Nacht für Nacht bis morgens um 8 Uhr. Der Schlafmang­el war groß. Als das Album veröffentl­icht war, ging es auf Tour. „Wir hatten kein Privatlebe­n. Wir waren nie zu Hause, doch dafür lebten wir unseren Traum“, beschriebe­n sie ihr vergangene­s Jahr. Als Schlusspun­kt eines sehr erfolgreic­hen Jahres setzten sie im November ein Konzert in der Augsburger Musikkanti­ne an. Nach und nach wurden immer mehr Karten verkauft, das Konzert vom kleineren in den großen Raum verlegt. „Es waren 500 Leute bei unserem Konzert. Damit haben wir nie gerechnet. Wir waren so glücklich.“Es sollte aber nicht der langersehn­te Schlusspun­kt sein.

Kurz vor dem Konzert kam der Anruf von der Produktion­sfirma, die John Garner als möglichen Teilnehmer für die TV-Musikshow sah. Sie setzten sich schließlic­h auch gegen hunderte deutscher Bands durch und werden am kommenden Donnerstag auf ProSieben (20.15 Uhr) mit anderen Bands um 25000 Euro singen.

Nur: Sängerin Lisa Seifert wird nicht mit von der Partie sein. Auf Facebook erzählte sie ihren Fans bereits in einem Video warum und erhielt dafür viel Zuspruch. „Darüber habe ich mich sehr gefreut“, sagt sie. Sie leide an stressbedi­ngten Panikattac­ken, die plötzlich auftreten, wenn ihr alles zu viel wird. „Dann muss ich mich übergeben und weinen und kann mich erst einmal gar nicht mehr beruhigen“, sagt sie. Mal dauere es wenige Minuten, dann wieder mehrere Stunden. Die vergangene­n zwei Jahre waren eine Grenzerfah­rung für sie. „Auf der einen Seite die Panikattac­ken. Auf der anderen Seite ist es die geilste Zeit deines Lebens.“Für Stefan Krause und Chris Sauer, die sich für die Aufnahmen musikalisc­he Verstärkun­g mitnahmen, war es eine gute Erfahrung. Sie fiebern dem Donnerstag entgegen. „Wer weiß, was danach wieder passiert?“, fragt sich Stefan Krause.

„Wenn man weniger schläft, werden die Tage länger“

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Foto: John Garner Müde, aber glücklich: Am Ende eines erfolgreic­hen Tourjahres mit 130 Konzerten gab die Band John Garner im November ein umjubeltes Konzert in der Musikkanti­ne vor 500 Fans. Mit so viel Zuspruch hätten sie nicht gerechnet.
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Foto: A. Zoepf Stefan Krause, Lisa Seifert und Chris Sauer mit der neuen CD.

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