Augsburger Allgemeine (Land West)

Versinkend­e Metropolen

Teheran, Jakarta, Mexiko City: Unter vielen Millionens­tädten sinkt der Boden teils dramatisch ab. Woher das kommt – und warum das so gefährlich ist

- / Von Matthias Zimmermann

An die Warnungen vor den Folgen eines ansteigend­en Meeresspie­gels hat man sich fast schon gewöhnt: 13 der 20 Megastädte auf der Welt mit mehr als zehn Millionen Einwohnern liegen in Küstennähe. Viele davon in armen Ländern: Mumbai und Kalkutta (Indien), Dhaka (Bangladesh) oder Jakarta (Indonesien) etwa. Millionen Menschen, vor allem die Ärmsten, könnten alles verlieren: Entweder weil die Orte, an denen sie wohnen, künftig viel häufiger von Hochwasser heimgesuch­t werden. Oder weil ganze Stadtteile in Zukunft dauerhaft unter Wasser stehen werden. Abgesehen von der Gefahr für Leib und Leben drohen massive Schäden an Gebäuden und Infrastruk­tur. Krankheite­n und Seuchen könnten sich durch verunreini­gtes Trinkwasse­r leichter verbreiten.

Viel weniger bekannt ist ein anderes Problem, das die Folgen eines ansteigend­en Meeresspie­gels noch erheblich verschärft: Der Boden unter vielen Megastädte­n weltweit sinkt ab. Ganz aktuell haben dies zwei Forscher des Deutschen Geoforschu­ngszentrum­s GFZ in Potsdam für die iranische Hauptstadt Teheran nachgewies­en. In drei Gebieten der Region hat sich die Erdoberflä­che allein im Zeitraum von 2003 bis 2017 um mehrere Meter abgesenkt – teilweise mit einer Geschwindi­gkeit von bis zu 25 Zentimeter­n pro Jahr.

Das Phänomen hat geologisch­e Ursachen, die zum Teil naturgegeb­en sind – etwa im Falle Venedigs, wo auch das Zusammenst­oßen zweier Erdplatten das allmählich­e Versinken der Stadt befördert. Ganz oft jedoch verschärft der Mensch das Problem – wie auch in Teheran.

Der Umgang mit Trinkwasse­r im Iran ist nicht nachhaltig. In vielen Gebieten des Landes sind die Reserven erschöpft, schreiben Mahdi Motagh und Mahmud Haghshenas Haghighi in der Fachzeitsc­hrift Remote Sensing of Environmen­t. Vor allem die Landwirtsc­haft verbraucht große Mengen Wasser. Staudämme an Flüssen sollen helfen, den Bedarf zu decken, sorgen aber dafür, dass sich die Lage flussaufwä­rts weiter verschärft. Wüsten breiten sich aus und auch die Austrocknu­ng des Urmiasees, einst zweitgrößt­er Salzsee der Welt, macht die Dramatik der Lage sichtbar.

Hinzu kommt, dass die Acht-Millionen-Stadt Teheran rasant wächst – und damit ihr Wasserdurs­t. Die Zahl der Brunnen stieg von knapp 4000 im Jahr 1968 auf mehr als 32 000 im Jahr 2012. Dafür sank der Grundwasse­rspiegel in Teheran zwischen 1984 und 2011 um zwölf Meter. Und in der Folge auch der Boden über den Grundwasse­rbecken – auf dem zusätzlich noch das Gewicht der Stadt lastet. Risse im Gelände, kaputte Straßen, Bahnlinien und Häuserfass­aden zeigen das Problem an der Oberfläche an.

In manchen Gebieten sind die Grundwasse­rgebiete bereits irreversib­el geschädigt. Das bedeutet, selbst wenn der ungezügelt­e Wasserverb­rauch eingeschrä­nkt wird, können die Becken nicht mehr so viel Wasser speichern wie zuvor. Um zumindest für die Zukunft noch größere Schäden zu vermeiden, empfehlen die Forscher dringend eine strengere Kontrolle und einheitlic­he Regulierun­g der Wasserwirt­schaft.

Teheran ist keine Ausnahme. Ähnliche Absenkunge­n haben Forscher für sehr viele Millionens­tädte nachgewies­en, besonders betroffen sind etwa Jakarta, Bangkok, HoChi-Minh-Stadt oder Mexiko-City. Immer spielt ein schlechtes Wassermana­gement eine bedeutende Rolle. In Jakarta sind die Probleme besonders groß. Nur etwa 35 Prozent des Wasserverb­rauchs im Großraum werden laut Neue Zürcher Zeitung mit bezahltem Leitungswa­sser gedeckt. Der Rest fließt aus unkontroll­ierten illegalen Brunnen. Wissenscha­ftler des holländisc­hen Forschungs­instituts Deltares haben konkrete Handlungse­mpfehlunge­n für die örtlichen Behörden in Indonesien erarbeitet. Ihr Fazit: Alle Maßnahmen zum Schutz der Stadt wie etwa Hochwasser­dämme oder gigantisch­e Wasserpump­en sind ohne eine grundlegen­de Änderung des Grundwasse­rmanagemen­ts sinnlos. Und selbst wenn so eine Politik schnell und effektiv umgesetzt wird, geht das Absinken der Stadt noch mindestens für 20 Jahre weiter.

Die GFZ-Forscher haben das Ausmaß des Phänomens in Teheran mit den Daten von vier Radarsatel­litensyste­men bestimmt. Von besonderer Bedeutung waren die Daten des europäisch­en Copernicus­Programms, das alle zwölf Tage hochaufgel­öste Radarbilde­r mit einer Kantenläng­e von 250 Kilometern liefert. „Dadurch ist es möglich, Georisiken wie etwa Landabsenk­ungen nahezu in Echtzeit zu analysiere­n“, so Motagh.

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 ?? Foto: Borna_Mir Adobe Stock Illustrati­on: GFZ Potsdam ?? Der Boden unter der iranischen Hauptstadt Teheran (großes Bild oben) sinkt zum Teil dramatisch schnell ab. Mit einer Langzeitau­swertung der Daten mehrerer Radarsatel­liten konnten Forscher nun das ganze Ausmaß des Problems dokumentie­ren. Die roten Bereiche auf dem Radarbild senken sich besonders schnell.
Foto: Borna_Mir Adobe Stock Illustrati­on: GFZ Potsdam Der Boden unter der iranischen Hauptstadt Teheran (großes Bild oben) sinkt zum Teil dramatisch schnell ab. Mit einer Langzeitau­swertung der Daten mehrerer Radarsatel­liten konnten Forscher nun das ganze Ausmaß des Problems dokumentie­ren. Die roten Bereiche auf dem Radarbild senken sich besonders schnell.

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