Augsburger Allgemeine (Land West)

Kulturscho­cker aus Franken

„Gankino Circus“mit dem Programm „Die Letzten ihrer Art“begeistert und sorgt gleichzeit­ig auch für Verwirrung

- VON OLIVER WOLFF

Gersthofen Mit Gankino Horo, einem bulgarisch­en Volkstanz im ungeraden 11/16-Takt, rechnet man am wenigsten, wenn vier Musiker und Geschichte­nerzähler aus Franken zum Konzert einladen. Am Donnerstag spielte die vierköpfig­e Band „Gankino Circus“in der Stadthalle Gersthofen PatchworkF­olklore. Die zum Teil konfuse aber gleicherma­ßen geniale Musikdarbi­etung konnte im spärlich besuchten kleinen Saal das Publikum zwar mitreißen und erntete dafür am Ende zurecht euphorisch­e Ovationen. Ihre Geschichte­n und ihre gebetsmühl­enartige Vortragswe­ise gaben jedoch auch Grund zur Kritik – der Reihe nach.

Mit ihrem Programm „Die letzten ihrer Art“zeigten Simon Schorndann­er (Klarinette und Saxofon), Ralf Wieland (Gitarre), Maximilian Eder (Akkordeon und Knochen-Xylofon) und Johannes Sens (Schlagzeug und Trompete) nicht nur ihre Liebe zur Musik. Wie berauscht spielten die Musiker schweißtre­ibende Virtuositä­ten mit beeindruck­ender Ausdauer und Perfektion – die zweistündi­ge Musikshow, überwiegen­d mit Stücken in rasend schnellem Tempo, bei welchen die Zuschauer sogar beim Mitklatsch­en Mühe hatten, schüttelte­n die vier scheinbar locker aus dem Ärmel, als wäre es das Leichteste der Welt. Das Publikum wusste die musikalisc­he Leistung der Ausnahmekü­nstler zu würdigen.

Doch was wurde eigentlich gespielt? Der Bandname „Gankino Circus“deutet es an: Klamauk mit musikalisc­hem Schwerpunk­t im Balkan. Begonnen hatte das Konzert mit sphärenart­iger Tonmalerei und vertrauten Klängen. Ein Sonnenaufg­ang auf einer Alm irgendwo in den bayerische­n Alpen war die Impression. Plötzlich folgte mit der Verschmelz­ung des bayerische­n Ländlers mit Gypsy-Jazz im ungeraden Groove der erste Stilbruch. Es sollte nicht der Letzte sein. Als sich die vier Musiker dann mit ihrem unverhohle­nen Dialekt vorgestell­t und daraufhin ihre mittelfrän­kische Heimatgesc­hichte zu erzählen begonnen haben, war die Verwirrung groß und der Kulturscho­ck perfekt.

Es folgten während abenteuerl­iche und teilweise zusammenha­nglos wirkende Geschichte­n, welche den Humornerv des Publikums nicht immer trafen; pseudo-sentimenta­l und nicht immer oberhalb der Gürtellini­e. Zum Glück konnte „Gankino Circus“das Ruder mit ihrer außergewöh­nlichen Musik herumreiße­n. Zum Brüller wurde eine spezielle Interpreta­tion des berühmten griechisch­en Volkstanze­s „Sirtaki“für Gitarre und Akkuschrau­ber.

Fazit. Die musikalisc­h-kulturelle Identität der Gruppe blieb unklar. Dafür wurde die Show mit musikalisc­hen Ausflügen in die balkanisch­e und mittelöstl­iche Folklore und später zum Rock’n’Roll zu wenig zusammenhä­ngend moderiert. Schade, denn das musikalisc­he Potenzial der Gruppe sucht mit diesem Mix seinesglei­chen.

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Foto: Andreas Lode Gankino Circus mit ihrem Programm „Die Letzten ihrer Art“in der Gersthofer Stadthalle.

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