Augsburger Allgemeine (Land West)
Eine Lehre hinter Gittern
Umwelt Zunehmend bieten Landwirte gegen Gebühr Blühflächen an, auf denen Insekten überleben sollen. Doch dabei sollten sie einiges beachten, sagt eine Kritikerin
Premiere in Bayerns modernstem Gefängnis: Erstmals gab es eine Friseur-Abschlussprüfung in der vierjährigen Geschichte der Haftanstalt.
Landkreis Augsburg Immer mehr Landwirte im Augsburger Land bieten gegen Bares Blühflächen für Bienen an. Zum Beispiel Familie Reitmayer aus Deubach bei Gessertshausen: Sie will eine voll funktionstüchtige Ackerfläche mit knapp 7000 Quadratmetern mit genügend Paten komplett ansäen. Diese Bienenweide wird erst im April 2020 umgebrochen, damit die Insekten überwintern können. In Dinkelscherben will Familie Gleich einen ganzen Acker bereitstellen, „vor allem ab Juni, wenn die Frühblüher vorbei sind“, erklärt Initiatorin Simone Gleich. Das Insektensterben sei akut und bewege die Menschen, wie das bis zum heutigen Mittwoch laufende bayerische Volksbegehren für die Artenvielfalt zeige. Für den Artenschutz sei deshalb konkretes Handeln besonders wichtig.
Für das Engagement gibt es ein persönliches Zertifikat zum „Bienenretter“. Die Fläche kann natürlich jederzeit besichtigt werden. Der Preis beträgt 50 Cent pro Quadratmeter. „Die Kosten beziehen sich auf den Arbeitsaufwand, Saatgut und Ertragsausgleich“, erklärt Gleich. Schon 22 „Bienenretter“beteiligen sich an der Aktion mit Flächen von 20 bis 200 Quadratmetern.“
Unter den ersten Landwirten, die mit dem Blühlfächenprojekt im Augsburger Land an die Öffentlichkeit gingen, war der Hirblinger Markus Brem. Er bietet den Bienen zu den gleichen Konditionen Zuflucht wie die Gleichs in Dinkelscherben. Zu Brems ersten Kunden zählt sein Parteifreund, der FreieWähler-Landtagsabgeordnete Fabian Mehring. Er sicherte sich die ersten 100 Quadratmeter für das laufende Jahr.
Den Forderungen des Volksbegehrens für Artenvielfalt steht der skeptisch gegenüber. „Rettet die Bienen“dürfe nicht gleichbedeutend mit „Ruiniert die Landwirtschaft“sein. Dies dürfe nicht allein zulasten der heimischen Landwirte gehen und deshalb unterstütze er Alternativen. Zahlreiche Landwirte, so sein FW-Mitstreiter Markus Brem, stellen gegen Gebühr für ein Jahr Ackerfläche zur Verfügung, die den Bienen überlassen wird.
Die Sprecherin des Aktionskreises Augsburg-Land-Süd des Volksbegehrens, Gabi Olbrich-Krakowitzer von der ÖDP, lobt die Aktion der Landwirte als „gut gemeint“. Man müsse jedoch aufpassen, dass dies nicht schlechtgemacht würde. So seien laut Fachleuten wie dem Biologen und Botaniker Dr. Andreas Fleischmann derartige Blühflächen insbesondere dann sinnvoll, wenn es sich um mehrjährige Ansaaten als Blühwiese handle. Wer im Frühjahr säe, aber im Herbst unterpflüge, schaffe für viele Insekten keine Verbesserung, da diese in abgeblühten Stengeln oder im Boden überwinterten.
Wenn ein Blühstreifen angelegt werde, sei es zudem ein Problem, wenn das Saatgut der Ackerkultur mit einem Neonicotinoid gebeizt wurde oder mit Pestiziden behandelt werde, denn dann könnten die Insektengifte durch Auswaschungen im Boden in die Pflanzen der Blühstreifen wandern. Sie schadeten Blütenbesuchern dann mehr, als sie nutzten. „Ich appelliere daher eindringFW-Politiker lich, dass sich Landwirte, die derartige Projekte ins Leben rufen, genau informieren und zudem nur heimische Blühpflanzen ansäen“, so Olbrich-Krakowitzer.
Sie weist zudem die Kritik zurück, die Initiatoren des Volksbegehrens würden nur Eingriffe in der Landwirtschaft vornehmen wollen, die Flächenversiegelung durch Gewerbegebiete oder Straßen- und Wohnungsbau und auch den Flugverkehr aber außer Acht lassen. Wegen der rechtlichen Regelungen für Volksbegehren könne dieses in diesem Fall nur Änderungen im Naturschutzgesetz fordern und auch nur Zielvorgaben formulieren. Es sei daher absolut unfair, dies den Initiatoren anzulasten.