Augsburger Allgemeine (Land West)
Theater zum Anbeißen
Babys sind die neue Lieblingszielgruppe des Kulturbetriebs
Die neue Lieblingszielgruppe im Kulturbetrieb spricht nicht und läuft nicht – protestiert aber gerne. Babys sind heftig umworben. Längst geht das Bespaßungsprogramm über Babyschwimmen und Babyturnen hinaus. Theater spielen besondere Vorstellungen für Kleinstkinder, Filmpaläste bieten „Schnullerkino“mit gedämpftem Ton. Auch Klassik-Konzerte für Nuckelkinder gibt’s als Matineen. Vorhang auf für die Allerkleinsten!
Jetzt hat auch das bekannte Münchner Kinder- und Jugendtheater „Schauburg“ein Babyprogramm im Spielplan. Weil Shakespeare und Schiller für Kids ab drei Monaten noch nicht wirklich funktionieren, will die Schauburg ein Theater der Sinne anbieten. Was Mitinitiatorin Anna Grüssinger beschreibt, erinnert ein wenig an das, was früher das Mobile überm Kinderbettchen geleistet hat: „Wir arbeiten mit Licht und Lichtobjekten, mit Sounds und Bewegung – aber in sehr reduzierter Form“. Gesprochen werde deshalb nicht. Die Zuschauer sitzen im Kreis auf Teppichen und Kissen um die kleine Tanzfläche herum.
In Berlin gibt es schon länger ein Babytheater. Es ist ein Theater ohne Berührungsängste. „In das Spiel integrieren wir auch die Wahrnehmung des Tastens. Die Kinder können die Bühne erobern, alle Gegenstände anfassen, umarmen und anbeißen.“Ein Konzept, von dem womöglich auch die eine oder andere progressive Erwachsenen-Theater-Truppe träumt. Dass mit den Baby-Theatererlebnissen vor allem die Eltern angesprochen werden sollen, ist klar. Die zahlen ja auch. Aber es gibt auch den Traum, mit den Wickelkindern das Theaterpublikum von überübermorgen heranzuziehen. Man wolle, heißt es in der „Schauburg“, das Theater „schon früh als positiven Ort etablieren“.