Augsburger Allgemeine (Land West)
Forever young
Makellose Züge und Wespentaille – so kennt man Barbie. Für das Bild, das die Puppe vermittelt, wurde der Hersteller Mattel oft kritisiert. Jetzt soll es einen Imagewandel geben
Augsburg Du kannst alles sein: Ärztin, Bauarbeiterin, sogar Präsidentin. Du kannst dunkle Haut haben und einen Afro tragen – besser wäre aber, du wärst blond und hellhäutig. Du darfst dafür etwas breiter gebaut sein, „Plus-Size“tragen. „Du kannst alles sein“, damit bewirbt die Firma Mattel ihre berühmte Barbie. An diesem Samstag wird die Kultpuppe 60 Jahre alt. Es gibt kaum ein Kind, das Barbara Millicent Roberts nicht kennt. Seit 1959 ist die Puppe mit dem Spitznamen Barbie auf dem Markt: große Augen, Stupsnäschen, lächelnder Mund mit rosa oder rotem Lippenstift, Grübchen am Kinn. Nach westlichen Standards die perfekte Schönheit.
Aber nicht die Realität – das bemängeln zahlreiche Kritiker. Bei ihren Beschwerden liegt der Fokus oft weniger auf dem Gesicht, sondern auf Barbies Körper. Ihre Maße wurden schon an der ersten Ausführung kritisiert: 99-46-84. Nicht nur An- lass zur Kritik – Barbie vermittle Mädchen ein falsches Frauenbild – sondern auch unrealistisch: Wissenschaftler fanden heraus, dass eine Frau mit Barbies Maßen im Unterleib keinen Platz für die nötigen Organe hätte.
Unrealistische Maße, perfektes Gesicht – und vor allem: weiß. Seit 1980 gibt es Barbie aber auch als afroamerikanische oder hispanische Version. Mattel wollte damit Kindern dieser Herkunft Puppen bieten, mit denen sie sich identifizieren konnten. Bereits seit den späten 60er Jahren, in Zeiten der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegungen stellte die Firma „Christie“und „Francie“her, Barbies dunkelhäutige Freundinnen. Der Großteil der Puppen heutzutage hat aber immer noch helle Haut.
1997 brachte Mattel für wenige Jahre Becky auf den Markt, Barbies Freundin, die im Rollstuhl saß. Dieser war barbiepink – passte aber leider nicht durch die Türen des Barbie-Traumhauses. Becky verwandelte sich von der Rollstuhlfahrerin in eine Fotografin. Erst vor zwei Tagen brachte Mattel erneut eine Puppe im Rollstuhl als Einzelstück heraus: Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel. 2001 gab es eine Barbie, deren Hand „Ich liebe Dich“auf Gebärdensprache zeigte. Trotz neuer Hautfarben und Veränderungen, die sie inklusiver machen sollten, hatten alle Puppen immer noch eines gemeinsam: perfekte Gesichtszüge und eine Wespentaille.
Immerhin durfte Barbie schon in den 60er Jahren mehr sein als Modepuppe. Sie übte verschiedene Berufe aus, hatte Hobbys und Interessen. „Von Astronautin bis Zoologin – es gibt keine Plastikdecke, die Barbie nicht durchstoßen hat“, heißt es auf der Website der Puppe. Der Begriff „Plastikdecke“– ein Wortspiel aus Barbies Material und der sogenannten gläsernen Decke, im engeren Sinn eine Metapher für die Tatsache, dass Frauen oft nicht in Führungspositionen aufsteigen können. Über die Puppe sagt Mattel außerdem: „Sie erweckt die endlosen Möglichkeiten in jedem Mädchen.“
Wenn diese in ihren Möglichkeiten ausgebremst würden, dann nur, weil Medien und Erwachsene ihnen vorgaukeln, sie wären nicht so klug wie Jungen. Diese Behauptung ver- öffentlichte das Unternehmen auf der Website – mit dem Versprechen, dagegen vorzugehen: 2016 reagierte Mattel auf die Kritik an Barbies Erscheinung und veröffentlichte die Serie „The Doll Evolves“, zu deutsch: Die Puppe entwickelt sich weiter. Barbie gibt es nun laut Website in vier Körpertypen – groß, klein, Plus-Size und Original – mit sieben Hautfarben, 22 Augenfarben und 24 Frisuren. Amerikanische Medien wie die New York Times deuteten die Strategie als Reaktion auf sinkende Verkaufszahlen.
Neben neuen Körpertypen gibt es die Serie „Inspirierende Frauen“, in der Barbie Persönlichkeiten wie Frida Kahlo, Säbelfechterin Ibtihaj Muhammad – mit Kopftuch – oder das sogenannte „Plus-Size“-Model Ashley Graham verkörpert. Dass die Frida-Puppe bis auf die Frisur nichts mit der Malerin gemein hat, führte dazu, dass Kahlos Großnichte gegen Mattel vorging. Grahams Barbie-Version ist die einzige ohne sogenannte Thigh Gap, ohne Lücke zwischen den Oberschenkeln. Das ist bei anderen Modellen, die unter dem Typ „kurvig“laufen, nicht der Fall. Sieht man „Curvy Barbie“, wirkt sie wie eine Frau, die Größe 38 trägt. Erst im Vergleich mit Original-Barbie fällt die „Plus-Size“auf.
Es geht aber nicht nur um ihre Maße, sondern auch darum, was sie trägt. Denn trotz der vielen Berufe, die Barbie ausüben durfte, war sie doch vor allem eins: eine Anziehpuppe. Millionen Kinder, aber auch Designer-Größen wie Karl Lagerfeld und Oscar de la Renta kleideten die Plastik-Schönheit – Letztere in Haute Couture. Luxusmode aus teuren Materialien trug Barbie schon zu Beginn ihrer Karriere – bis Mattel merkte, dass die Puppe so nur für Kinder reicher Eltern zugänglich war. Fortan fand man in Barbies Garderobe Sneaker, bunte Farben, Kleidung aus Synthetikstoffen, die Jugendliche der unteren Schichten trugen. Die Puppe ging und geht mit der Zeit: Aktuell trägt Barbie ein T-Shirt mit dem Slogan „Love wins“aus der LGBTQ-Bewegung, die sich unter anderem für gleichgeschlechtliche Liebe einsetzt.
Barbies Liebesleben war von der langjährigen Beziehung zu Ken geprägt, einem Plastik-Jüngling, den es mittlerweile auch in schmal, normal und breit gibt. Die Beziehung der beiden, die die Band „Aqua“im Lied „Barbie Girl“besang, ging 2004 in die Brüche. Barbie datete Blaine. 2011 folgte die Versöhnung, nachdem Mattel Ken auf dem realen New Yorker Times Square per Banner seine Liebe bekunden ließ. Vielleicht feiern Barbie und Ken zusammen den 60. Geburtstag: „Come on, Barbie, let’s go party!“
Immer wieder wurde Barbie kritisiert